„Top of the Lake“ immer noch top: Pampa und Trauma ​

Mittendrin in Folge 1 der Gedanke: Eigentlich ließe sich diese Kolumnenfolge als Fortsetzung schreiben. Also als Fortsetzung der vorigen Ausgabe über den Häusliche-Gewalt-Frauenhaus-Undercover-Tatort aus Dortmund vor einem Monat.

Zumindest thematisch – denn ansonsten könnte nichts weiter weg sein als die neuseländische Krimiserie „Top of the Lake“ von Jane Campion über achselzuckend brutale Männer in einem Kaff auf der Südinsel, umgeben von Bergen, Seen, noch mehr Bergen; derzeit zu sehen in der Arte-Mediathek, auch im Original.

Es gibt TV-Serien, die so umwerfend erzählt sind, dass sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen. „Top of the Lake“ gehört dazu – wegen Autorin und Regisseurin Jane Campion und Hauptdarstellerin Elisabeth Moss. Und zwar beide Staffeln.

Natürlich wäre es völlig unverhältnismäßig, alle 13 Folgen für diese entzückende kleine Kolumne hier nochmal durchzuglotzen. Aber drei, vier Episoden der ersten Geschichte reichen: Der damalige Eindruck erhärtet sich. Kein Wunder waren nach jener Serie neuseeländische TV-Produktionen international auf einmal sichtbar (nicht vergessen, Netflix startete erst 2012, 2013, 2014 in Europa).

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Die Menschen können sich zeigen

Staffel 1 verteilt zwar seine Aufmerksamkeit rund um die verschwundene, schwangere 12-jährige Tui Mitcham und Detective Robin Griffin (Elisabeth Moss), die wegen ihrer todkranken Mutter gerade zufällig zurück zuhause ist. Aber es gibt ein Zentrum, wo alle und alles wie magnetisch immer wieder aufeinander treffen: eine rostig-bunte Containersiedlung mitten im Nichts am See – eine Gruppe vom Leben gebeutelter Frauen rund um die kompromisslose G.J. (Helen Hunt). Auch Tui kommt hier durch, bevor sie verschwindet.

Dass dieses 12 Jahre alte Material so konstant frisch wirkt, liegt zum einen an der Erzählweise: Campion (die zusammen mit Gerard Lee beide Staffeln schrieb, mit Garth Davis respektive Ariel Kleiman Regie führte) lässt ihren Figuren Raum und Zeit. Keine der Szenen ist produktionsökonomisch getaktet. Die Menschen können sich zeigen, reagieren, Teil ihrer Umgebung sein. Und somit mehr erzählen.

Zum anderen versammelt sich in „Top of the Lake“ ein unfassbares Ensemble: Da ist Helen Hunt, die kaum wiederzuerkennen ist in ihrer Rolle als hartes, weises Epizentrum der Frauengruppe. Da sind Peter Mullan (Tuis Vater, ein Verbrecher) und Robyn Malcolm (als eine der Frauen), zwei neuseeländische Schauspielgrößen (jüngst als Ehepaar gemeinsam in der unvergleichlichen Serie „After the Party“ über Kindesmissbrauch).

Und natürlich Elisabeth Moss. Als sie in Neuseeland vor der Kamera stand, war sie schon einige Jahre Peggy Olson in „Mad Men“, lange vor der Atwood-TV-Adaption „The Handmaid’s Tale“. Ja, es ist ein Dilemma, die Darstellerin, die seit ihrer Kindheit bei Scientology ist und nach wie vor vehement positiv über dieses kriminelle, menschenverachtende Sekten-Unternehmen spricht, ausgerechnet in solchen Rollen zu sehen. Und, hm, naja, nicht umhin zu kommen: Egal welche Szene, sie spielt brillant, stellt sich hinter ihre Figuren, statt sie zu dominieren.

Spätestens in Folge 3 ist ihre Kraft nicht mehr zu leugnen: Als Robins eigene Geschichte peu à peu zum Vorschein kommt, wie ihr Trauma sie vorantreibt, zwischen Verdrängen, Misstrauen, Gegengewalt. Auf der Suche nach Tui.

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