Zuwanderung aus Südosteuropa: Wie die SPD den Sozialbetrug im Ruhrgebiet stoppen will

taz | Mitten in der Debatte um die als rassistisch kritisierten „Stadtbild“-Aussagen von Kanzler Friedrich Merz hat SPD-Chefin Bärbel Bas ein härteres Vorgehen gegen organisierten Sozialmissbrauch vor allem aus Südosteuropa gefordert. „In Großstädten, aber auch in kleineren Kommunen“ gebe es „bandenmäßige Strukturen“, die gezielt Menschen nach Deutschland lockten, um bei geringfügiger Arbeit Sozialleistungen zu beantragen, erklärte die Bundesarbeitsministerin nach einer Konferenz mit 15 Kommunen in ihrer Heimatstadt Duisburg.

Durch Hintermänner mit teilweise gefakten Mini-Job-Verträgen präpariert, würden dann Sozialleistungen wie aufstockende Grundsicherung oder Kindergeld beantragt – auch von „Menschen, die nicht mit dem Ziel der Arbeitsaufnahme kommen“, klagte Bas am Montagmittag bei einer Pressekonferenz im Duisburger Rathaus.

Gerade im Ruhrgebiet klagen Ober­bür­ger­meis­te­r:in­nen wie der Duisburger Sozialdemokrat Sören Link seit Jahren über Ar­muts­mi­gran­t:in­nen vor allem aus Rumänien und Bulgarien. Die würden in ihre von Deindustrialisierung und Wegzug geprägten Städte gelockt und dort unter oft menschenunwürdigen Umständen in abrissreifen Immobilien untergebracht. Er sei „für soziale Gerechtigkeit“, hatte Link dazu etwa im NRW-Kommunalwahlkampf gesagt, habe aber „keine Lust, verarscht und beschissen zu werden.“

Auch Gelsenkirchens scheidende Oberbürgermeisterin Welge klagte schon im vergangenen Jahr, die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU habe sich zu einer „Sozialleistungsfreizügigkeit“ verwandelt. Ihre knapp 270.000 Ein­woh­ne­r:in­nen zählende Stadt sei mit der Integration von etwa 12.000 dort lebenden Menschen aus Rumänien und Bulgarien überfordert und zum „Kollateralschaden“ der EU-Osterweiterung geworden.

Hausaufgaben für die Minister

In Duisburg und Gelsenkirchen gilt die extrem rechte AfD als stark. Ihre Kandidaten verloren jedoch den Kampf um die Rathäuser in den Stichwahlen klar: Für den Duisburger Link entschieden sich 78 Prozent, für die Gelsenkirchenerin Andrea Henze mehr als 66 Prozent der Wähler:innen.

Oberbürgermeister Link sagte bei der Pressekonferenz mit Bas, Deutschland brauche „Zuwanderung von Fachkräften, aber keine Zuwanderung in die Sozialsysteme“. Fälle, bei denen mit einem Minijob-Verdienst von 200 Euro „mehr als 2.000 Euro Sozialleistungen“ gezahlt würden, machten „deutlich, wo das Geschäftsmodell liegt“. Er sei SPD-Chefin Bas „dankbar“, dass diese auf ein Vorgehen der Bundesregierung dränge.

Konkret kündigte Bas an, prüfen zu wollen, ob aufstockende Sozialleistungen erst ab einer Wochen-Arbeitszeit von mindestens 20 Stunden gezahlt werden können – schließlich hätten bei der Konferenz auch Städte wie Hamburg, München, Stuttgart oder Mannheim über organisierten Sozialleistungsbetrug geklagt. In die Pflicht nehmen will die SPD-Chefin außerdem ihre Kabinettskolleg:innen: SPD-Bundesjustizministerin Stefanie Hubig solle prüfen, ob Sozialversicherungs-Missbrauch als „eigener Straftatbestand ins Strafgesetzbuch“ aufgenommen werden könne – und ihr SPD-Co-Parteichef, Finanzminister Lars Klingbeil, schärfer gegen Schwarzarbeit vorgehen.

Bas will keinen Stadtbild-Gipfel

SPD-Bauministerin Verena Hubertz könne gegen Ausbeutung von Mi­gran­t:in­nen durch Unterbringung in überteuerten Schrottimmobilien vorgehen – etwa, in dem Städten bei Zwangsversteigerungen ein Vorkaufsrecht eingeräumt wird. Nötig sei auch ein besserer Datenabgleich staatlicher Behörden wie Einwohnermeldeämtern, den Arbeitsagenturen und Job-Centern – so könnte erkannt werden, ob Sozialleistungsbezieher überhaupt noch in Deutschland leben. Das sei „ eine Aufgabe für den Digitalminister“, sagte Bas. Und um Kindergeldbetrug einzudämmen, brauche es „die Länder“, die müssten melden, wenn Kinder nicht mehr in der Schule auftauchen.

Bas und Link betonten, ihre Vorschläge seien ein Beitrag zur Versachlichung der Stadtbild-Debatte. Die sei „ein Schlag ins Gesicht vieler“, erklärte Oberbürgermeister Link. „Es würde von der Größe des Kanzlers zeugen, wenn er diese übertriebenen Aussagen zurücknehmen würde.“

Merz habe „viele Menschen auch in der SPD-Fraktion, verletzt“, sagte Bas. Einen „Stadtbild“-Gipfel im Kanzleramt wie einige ihrer Genossen forderte Bas allerdings nicht. Stattdessen war die SPD-Chefin um Deeskalation bemüht. Der Kanzler habe seine Aussagen schließlich mittlerweile „differenziert“, so die Arbeitsministerin.

Und „Probleme“, sagte Bas in Duisburg, die sehe sie in Bezug auf Migration in Teilen eben auch. „Deshalb bin ich hier.“

  • informationsspiegel

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