Grüne über das Gezerre um Paragraf 218: „Absolut unüblich und respektlos“

taz: Frau Schauws, ist der Gesetzentwurf zur Legalisierung früher Schwangerschaftsabbrüche auf den letzten Metern versandet?

Ulle Schauws: Nein – obwohl Union und FDP alles daran gesetzt haben.

taz: Am Mittwoch hat sich der Rechtsausschuss damit beschäftigt. Was ist passiert?

Union und FDP haben vorab klargemacht, einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss nicht zuzustimmen. Daher haben wir stattdessen direkt Aussprache und Beschlussfassung beantragt. Das wollten Union und FDP dann direkt von der Tagesordnung nehmen lassen – dafür hatten sie aber keine Mehrheit.

taz: Der Rechtsausschuss beschließt Empfehlungen, wie im Plenum über ein Gesetz abgestimmt werden soll. Wie sieht die aus?

Schauws: Diese Abstimmung konnte nicht stattfinden. Die Union hat während der Aussprache beantragt, doch noch eine Anhörung zu machen.

taz: Nachdem sie das zuerst so vehement abgelehnt hat?

Schauws: Union und FDP hätten mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit für Ablehnung gehabt – ein Zusammenschluss, der schlimm genug ist. Aber die Union will um jeden Preis verhindern, dass der Gesetzentwurf überhaupt noch mal im Bundestag debattiert und abgestimmt wird. Und die FDP hat sich dem leider komplett angeschlossen.

taz: Teile der FDP haben gesagt: Das Thema ist wichtig – aber erst nächste Legislatur.

Schauws: Diese Aussage ist unsäglich und auch widersprüchlich. Die FDP fordert eine breite gesellschaftliche Debatte – obwohl schon breit debattiert wurde und eine große Mehrheit der Gesellschaft bereits für die Legalisierung ist. Aber wenn es konkret um eine Debatte geht, im Rechtsausschuss nämlich, dann blockiert die FDP das. Das ist alles unglaubwürdig.

Im Interview: Ulle Schauws

58, ist frauen­politische Sprecherin der Grünen-­Fraktion im Bundestag.

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taz: Warum wollen Union und FDP keine Abstimmung im Plenum?

Schauws: Weil sie offensichtlich Angst haben, dass es am Ende im Plenum eine Mehrheit dafür gibt, dass Frauen sich ohne Androhung des Strafrechts für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden dürfen – und zwar zu Recht.

taz: Welche Chance hätte das Gesetz denn?

Schauws: Es ist möglich. Allein die Abgeordneten aus den Reihen von SPD, Grünen, Linken und SSW haben schon 353 der 367 nötigen Stimmen. Das BSW mit 10 Abgeordneten hat angekündigt, ebenfalls dafür zu stimmen. Dann fehlen nur noch 4 Stimmen. Wenn dann nicht alle abstimmen, oder wenn von FDP oder Union einzelne Abgeordnete für unseren moderaten und liberalen Gesetzentwurf stimmen oder sich enthalten – dann machen wir Schluss mit der Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland.

taz: Nun hat sich der Ausschuss doch auf eine Anhörung geeinigt. Wie geht es weiter?

Schauws: Es wird am 10. Februar die Anhörung geben und Sachverständige werden eingeladen. Wir wollten dies deutlich früher. Immerhin ist am 11. Februar der letzte Sitzungstag dieser Legislatur. Es ist zu befürchten, dass Union und FDP mit noch mehr Tricks versuchen, das weitere Verfahren auszubremsen. Aber wir bestehen darauf, dass über das Gesetz noch im Plenum abgestimmt wird. Alles andere würde völlig den Gepflogenheiten des Bundestags bei interfraktionellen Gruppenanträgen widersprechen.

taz: Inwiefern?

Schauws: Wenn eine Gruppe von Abgeordneten aus den Reihen der Regierung und Opposition gemeinsam einen Antrag einbringt, dann gebietet es der Respekt gegenüber diesen Kolleg*innen, dieses Verfahren auch zum Abschluss zu bringen. Es ist absolut unüblich und respektlos, bei solchen Verfahren zu bremsen. Dass eine parlamentarische Gruppe nicht zu ihrem Recht kommt, ist wirklich sehr unparlamentarisch – und für die demokratischen Fraktio­nen einfach unwürdig.

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