Oligarch vor Gericht: Putins Mann in Moldau interessiert sich fürs Gesetz

Ilan Șor sorgt immer mal wieder für Schlagzeilen, so auch an diesem Mittwoch. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg lehnte die Klage des moldauischen Oligarchen ab. Dieser hatte sich auf diesem Wege elegant der Sanktionen entledigen wollen, die die EU 2023 gegen ihn verhängt hatte.

Dass ausgerechnet Șor vor Gericht geht, um seine Rechte durchzusetzen, ist bemerkenswert, denn mit den Gesetzen nimmt es der 37-Jährige nicht so genau. Wo es keinen juristischen Graubereich beziehungsweise entsprechende Nischen gibt, werden Vorschriften umgegangen oder einfach gebrochen.

Geboren wurde Șor am 6. März 1987 in Tel Aviv, in den 90er Jahren kehrte seine Familie jedoch nach Moldau zurück. Sein Vater Miron war Geschäftsmann und in den Bereichen Duty Free sowie Reisen aktiv. Nach dessen Tod 2005 übernahm der damals 18-jährige Șor das Familienunternehmen „Șor-Holding“ und expandierte. Er kaufte mehrere Fernsehsender, eine Versicherungsagentur sowie den moldauischen Fußballclub FC Milsami Orhei.

2015 wurde er zum Bürgermeister der Kleinstadt Orhei gewählt, den Posten hatte er bis zum April 2019 inne. Zwei Jahre zuvor war Șor von einem moldauischen Gericht zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er an dem größten Bankenbetrug in der Geschichte Moldaus maßgeblichen Anteil hatte. Dabei waren drei Geldinstitute um rund 1 Mil­liarde US-Dollar erleichtert worden. Einen Hausarrest, wo er auf das Ergebnis eines Berufungsverfahrens wartete, nutzte Șor 2019 zur Flucht nach Israel. 2023 erhöhte ein Berufungsgericht die Gefängnisstrafe wegen Korruptionsvorwürfen auf 15 Jahre, Șors gesamtes Vermögen wurde eingefroren.

Wäh­le­r*in­nen­be­stechung aus der Moskauer Portokasse

Die Verstrickungen taten der Beliebtheit des zwielichtigen Oligarchen und zweifachen Vaters indes keinen Abbruch. Lange hielt er beim Ranking der beliebtesten Po­li­ti­ke­r*in­nen in Moldau stabil den dritten bzw. vierten Platz. Für seine gleichnamige Partei zog er 2019 (da befand er sich bereits im Exil) ins moldauische Parlament ein und wurde zwei Jahre später wiedergewählt. Die offen prorussische Partei existiert nicht nicht mehr. Sie wurde 2023 per Urteil des Verfassungsgerichts verboten und kurz darauf aufgelöst. Ein Vorwurf lautete, die Partei habe in Moldau wochenlange Massenproteste gegen die proeuropäische Regierung mit organisiert und finanziert.

Derzeit lebt Șor in Moskau und besitzt seit Mai dieses Jahres auch noch die russische Staatsbürgerschaft. Von der russischen Hauptstadt aus lief er vor den diesjährigen Präsidentenwahl in Moldau im Oktober, die zeitgleich mit einem Referendum über die Festschreibung einer europäischen Perspektive in der Verfassung stattfand, zu Hochform auf.

Nach der Devise, das Land maximal destabilisieren, was selbstredend im ureigensten Interesse Moskaus ist, soll er im großen Stil über ein weit verzweigtes kriminelles Netzwerk Wäh­le­r*in­nen mit Geldern in Höhe von umgerechnet von knapp 14 Millionen Euro aus der Moskauer Portokasse bestochen haben. Besonders dankbare Ab­neh­me­r*in­nen fanden sich in Gagausien. Die autonome Region blickt traditionell in Richtung Kreml, viele Menschen leben an der Armutsgrenze.

Es ist kaum vorstellbar, dass Șor, trotz der Niederlage vor dem Luxemburger EU-Gericht, seine subversiven Störfeuer künftig einstellen wird. Im kommenden Jahr finden in Moldau Parlamentswahlen statt. Wir dürften also bald wieder etwas von Șor hören. Mutmaßlich nichts Gutes. Barbara Oertel

  • informationsspiegel

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