Panne an Ostseekabel: Ein Fall von schwerer Sabotage?

Osnabrück taz | Keine ruhiges und besinnliches Fest für finnische Sicherheitsbehörden: In der Nacht zum zweiten Weihnachtsfeiertag betrat die Polizei mit Unterstützung des Grenzschutzes den Öltanker „Eagle S“. Das Schiff, das unter der Flagge der Cook-Inseln in der finnischen Bucht unterwegs war, soll das Unterseestromkabel Estlink 2 zwischen Estland und Finnland beschädigt haben. Auch an mehreren Datenkabeln wurden Störungen gemeldet, ein Zusammenhang aller Vorkommnisse wird untersucht.

Die Polizei sprach nach eigenen Angaben mit der Besatzung und sammelte Beweise. Sie ermittelt wegen „grober Sabotage“. Ob der Schaden jedoch vorsätzlich oder versehentlich herbeigeführt wurde, sei noch Gegenstand der Ermittlungen, sagte ein Polizeisprecher laut dem finnischen Rundfunk Svenska Yle am Donnerstag.

Dass die Stromleitung auf der finnischen Seite der Bucht beschädigt wurde, hatte Yle am Mittwoch unter Berufung auf den Netzbetreiber Fingrid berichtet. Der Schaden wurde am Mittag des ersten Weihnachtstages entdeckt. Betroffen war die Stromlieferung von Finnland nach Estland. Kabel wie dieses sind Teil des gesamteuropäischen Stromnetzes und haben als solche nicht nur lokale Bedeutung.

Finnlands Ministerpräsident Petteri Orpo lobte, die Behörden hätten schnell und entschlossen reagiert. Zugleich hob er die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit beim Umgang mit der sogenannten russischen „Schattenflotte“ hervor. Er sei mit den Nachbarländern und der EU-Kommission in Kontakt, Präsident Alexander Stubb mit der Nato. „Wir sind nicht allein mit diesem Problem“, sagte Orpo am Donnerstag.

35.000 Tonnen Benzin

Der finnische Zoll bestätigte, dass er die „Eagle S“ zu dieser Schattenflotte zähle. Bisher sei sie nicht in der Finnischen Bucht unterwegs gewesen, sondern unter anderem in türkischen und indischen Gewässern. Der nun in finnischen Gewässern festgehaltene Tanker habe 35.000 Tonnen Benzin geladen. Man habe Ermittlungen wegen grober Regelverstöße eingeleitet.

Das Politikum der russischen Schattenflotte beschäftigt die Ostseeanrainer schon länger. Experten sehen ihr Entstehen als Russlands Antwort auf westliche Sanktionen nach dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Die Schiffe sind oft älter, fahren unter wechselnden Flaggen, in schwer zu durchschauenden Besitzverhältnissen und ohne Versicherung. Es gibt sie nicht nur, aber auch in der Ostsee, wo sie Öl von russischen Häfen in die Welt bringen sollen. Sie gelten als Sicherheits- und Umweltrisiko.

Erst eine Woche vor Weihnachten waren die JEF-Staaten, also die nordischen und baltischen Länder, Großbritannien und die Niederlande, gemeinsam mit Polen und Deutschland übereingekommen, russischen Öltanker künftig regelmäßiger auf Versicherungsnachweise kontrollieren zu wollen. Dies ist die bislang einzige Handhabe.

JEF steht für die Verteidigungszusammenarbeit „Joint Expeditionary Force“, die 2014 von den Mitgliederländern beschlossen wurde, um in nordeuropäischen Gewässern in Krisen schneller reagieren zu können.

  • informationsspiegel

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