Format im Deutschlandfunk „und jetzt?!“: Überstrapazierte Lebendigkeit

Lebensratgeber galten lange als schmuddelig. Lektüre für gelangweilte Hausfrauen und Menschen ohne Freunde. Das Private ist politisch – einst ein Slogan der Protestkultur – ist heute Mainstream. Das Gespräch über Alltagssorgen gehört zum guten Ton gesellschaftlicher Gespräche, ist Dauervermarktungsthema von Influencern und Magazinen.

„Das Leben ist ein Dauer-Struggle. Wir werden krank, verlassen, gekündigt, gemobbt …“ sagt nun auch der Deutschlandfunk und bewirbt damit sein neues Featureformat „und jetzt?!“ Es verspricht: „echte Konflikte, in real time“ zu lösen.

Das Konzept besteht darin, dass eine Protagonistin ihr Problem ausbreitet und das mit verschiedenen Leuten diskutiert. Aber nicht in einer geschlossenen Studiosituation, sondern als eine Art Livereportage. In der ersten Staffel geht es um beengte Wohnverhältnisse, Verlassenwerden und Erben.

So hören wir beispielsweise Joyce Ruth Orélie Thumb von Neuburg dabei zu, wie sie mit ihrem Vater zu dem Wald fährt, den sie zusammen mit einigen Immobilien und Ländern einst erben soll.

Heftig erzwungen

Sie will den Vater davon überzeugen, sein Erbe jetzt schon zu verteilen, allerdings nicht an seine Kinder, sondern an die Gesellschaft.

Manches Mittel, um den Live-Moment lebendiger zu gestalten – wie die ständigen Sprachnachrichten von Joyce an ihre Freundin – sind heftig erzwungen und überstrapaziert.

Von der Staffel hingegen übers Verlassenwerden mit der Schriftstellerin Anke Stelling und der Regisseurin Lola Randl ist kein Loskommen. Die Aufgewühltheit der verlassenen Schriftstellerin, ihre Empörung darüber, sich immer anhören zu müssen, dass sie endlich nach vorne blicken soll, ihre Versuche, mit der Dating-App zurechtzukommen und die überraschenden Wege, die die Regisseurin im Verlauf der Gespräche einschlägt – sie beginnt einen Flirt mit einem Bestatter – sind bei allem Schmerz großes Radio.

„und jetzt?!“, Staffel 1, Deutschlandfunk

  • informationsspiegel

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