Rauchverbot an Frankreichs Stränden: Wo die Zigarette zur Lebensart gehört

E twas ist anders im Jardin du Luxembourg, mitten in Paris. Woran das liegt, wissen und sehen die Touristen nicht, die bei der hohen Temperatur im Schatten der Kastanienbäume Erholung suchen. Die Rentnerinnen dagegen, die sich neben einer kleinen Kopie der Freiheitsstatue unterhalten, kennen die Änderung und freuen sich darüber: Niemand raucht jetzt mehr beim Flanieren in diesem Park. Sucht man allerdings gezielt, findet sich doch ein Raucher. Er heißt Ibrahim und kommt aus der Türkei.

Gerade besucht er mit seiner Freundin Paris und zieht bei einer Pause im Grünen den Rauch seiner Zigarette in die Lungen. Gleich neben einem Kinderspielplatz. Dass dies seit letztem Sonntag in ganz Frankreich verboten und gleich ein doppeltes Vergehen sei, das wusste er nicht, meint er etwas schuldbewusst. Er will seine zur Hälfte gerauchte Zigarette ausdrücken und wegwerfen. Aber das sollte er lieber bleiben lassen, denn das wäre noch ein dritter Grund für eine Geldstrafe.

Nein, so etwas gebe es nicht bei ihm Hause in der Türkei, sagt Ibrahim, der sich über die Liste der mit dem Tabakkonsum verbundenen Verbote wundert. Die von der Gesundheitsministerin Catherine Vautrin definierte Regel ist eigentlich einfach zu verstehen: Überall, wo sich Kinder aufhalten, darf es keinen Tabakrauch geben. Die bereits bestehenden Rauchverbotszonen (Restaurants, Hotels, Bars, Discos, Schulen, Büros und andere Arbeitsräume) werden ausgeweitet auf Grünanlagen, Sportstätten sowie die nähere Umgebung von Schulen und Kindergärten.

Was aber eindeutig am meisten Gesprächsstoff bietet, ist das Rauchverbot am Strand. Und dort wird auch gemeckert und protestiert: In allen Medien, sowohl an der Atlantikküste als auch am Mittelmeer und an den Seen äußern sich die Rau­che­r*in­nen mehrheitlich ungehalten. „Das ist denn doch ein bisschen übertrieben“, meint in einer Reportage des Rundfunks FranceBleu im baskenländischen Anglet eine Frau namens Claudine. „Da ich pro Tag eine Schachtel rauche und halt abhängig bin, wird das wirklich ein Problem, wenn ich am Strand nicht rauchen darf!“, erklärt sie. Sie habe auch stets einen kleinen Behälter für die Asche dabei.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

=”” div=””>

Belmondo ohne Kippe im Mundwinkel?

Leider sind nicht alle Rau­che­r*in­nen so wohlerzogen. Das bestätigt am selben Strand Benjamin, Vater von zwei Kleinkindern: „Natürlich stört der Tabakrauch, vor allem aber die Kippen, die die Kinder in die Hand nehmen.“ Lucie Padovani von der NGO Surfrider Foundation weiß ein trauriges Lied davon zu singen: Jedes Jahr müssten von Freiwilligen, die Besseres zu tun hätten, mit einem Riesenaufwand Hunderttausende von Zigarettenkippen an den Stränden eingesammelt werden. Denn diese seien echt gefährlich. Eine einzige Kippe könne bis zu 500 Liter Wasser vergiften, und laut Forschern könne diese bis zu 7.000 verschiedene schädliche oder giftige Substanzen enthalten, bestätigt auch die Mikrobiologin Marianne Quéméneur.

Weder im Jardin du Luxembourg noch an den Stränden werden bei Zuwiderhandlung sofort Geldbußen fällig. Die Ordnungshüter, die die Einhaltung der verschärften Regeln kontrollieren müssten, sollen laut Regierung die Raucher ermahnen, deren Mentalität indes eher schwer zu ändern sein dürfte.

Frankreich scheint da ein besonders Problem zu haben, weil diese Mentalität nicht nur in individuellen Gewohnheiten, sondern auch tief in der französischen Kultur verankert ist. Wie Jean-Paul Belmondo oder Jeanne Moreau mit ihrer Raucherstimme könnte man sich viele Leinwandstars der Vergangenheit ohne Zigarette im Mundwinkel gar nicht vorstellen.

Noch in den Jahren 2015 bis 2019 gab es laut der Krebsliga in 90 Prozent der französischen Kinofilme Szenen mit Tabakkonsum, doppelt so viele wie bei Hollywood-Produktionen. Wie sollen da gerade die Minderjährigen begreifen, dass Rauchen nicht „Glamour“, sondern komplett passé ist?

  • informationsspiegel

    Related Posts

    Politische Repression in Hongkong: Tschüss, Demokratie
    • December 16, 2025

    China zieht die Daumenschrauben in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong weiter an. Europa sollte genau hinsehen. mehr…

    Weiterlesen
    Umgang mit Alttextilien: Die Kosten alter Jeans und Pullis
    • December 16, 2025

    Immer mehr Klamotten auf dem Markt: Künftig müssen sich die Hersteller von Kleidung an den Entsorgungskosten beteiligen. Das weckt Begehrlichkeiten. mehr…

    Weiterlesen

    Nicht verpassen

    Politische Repression in Hongkong: Tschüss, Demokratie

    • 5 views
    Politische Repression in Hongkong: Tschüss, Demokratie

    Umgang mit Alttextilien: Die Kosten alter Jeans und Pullis

    • 5 views
    Umgang mit Alttextilien: Die Kosten alter Jeans und Pullis

    Diskussion über NS-Straßenname: Varel kommt nicht aus der Kriegsverbrecher-Sackgasse

    • 6 views
    Diskussion über NS-Straßenname: Varel kommt nicht aus der Kriegsverbrecher-Sackgasse

    „Projekt Halle“: Eine gesunde Arroganz

    • 4 views
    „Projekt Halle“: Eine gesunde Arroganz

    Ausstellung über Weihnachtsfeierkultur: „Das erste Weihnachten ohne Pappi“

    • 5 views
    Ausstellung über Weihnachtsfeierkultur: „Das erste Weihnachten ohne Pappi“

    „Urchristen“ auf dem Weihnachtsmarkt: Vegetarisch mit antisemitischem Beigeschmack

    • 5 views
    „Urchristen“ auf dem Weihnachtsmarkt: Vegetarisch mit antisemitischem Beigeschmack