Memes im Internet: Meine Freundin Conni läuft im Internet völlig aus dem Ruder

Berlin taz | Blonde Haare, rote Schleife, gestreiftes T-Shirt: So kennen wir Conni, die brave Figur der Bilderbücher des Carlsen-Verlags. Seit gut 30 Jahren ist sie in deutschen Kinderzimmern präsent. In über 100 Geschichten muss Conni zum Arzt, bekommt einen kleinen Bruder, fährt mit den Eltern in den Urlaub oder kommt in den Kindergarten. Conni ist das Poster-Child des deutschen Mittelstands: weiß, privilegiert, hetero. Die Mutter Annette ist Ärztin, geht aber lieber nicht arbeiten. Der Vater, Jürgen, finanziert mühelos mehrere Urlaube im Jahr, Conni darf reiten, ein Instrument spielen, Ballett tanzen.

Der Carlsen Verlag versuchte mal, sie heranwachsen zu lassen: In der Buchreihe „Conni15“ darf Cornelia Klawitter (so heißt sie mit vollem Namen), über Jungs nachdenken, sich für Mode interessieren, vielleicht mal einen kleinen Herzschmerz durchleben. Aber statt groß zu werden, sich für Feminismus und Klassenkampf zu interessieren, bleibt Conni in allen Büchern, Filmen und Hörspielen bei etwa 15 Jahren stehen.

Macht aber nichts, denn ihr Erwachsenwerden hat seit ein paar Jahren das Internet übernommen. Seit der Pandemie kursieren in den Sozialen Medien Conni-Memes. Dafür wird das Bild abgewandelt, mit KI verändert oder ein neuer Schriftzug draufgesetzt. Hier vertritt Conni radikalere Positionen, gibt sich witzig, frech und solidarisch. Conni redet nicht mit FaschosConni wird Genossin“, „Conni geht die AfD ärgern“. Das funktioniert deshalb so gut, weil fast je­de*r hierzulande Conni kennt.

Dass Conni gerade in linken Kreisen gefeiert wird, ist keine Nebensache. Memes sind längst politische Waffen, vor allem in rechten Netzwerken. Figuren wie Pepe the Frog (ein gezeichneter Frosch) wurden dort gekapert, ihr Schöpfer Matt Furie kämpft bis heute dagegen. Umso schöner, dass Conni jetzt als linkes Gegenstück durchs Netz spukt.

Doch der Carlsen Verlag möchte seine Tochter nicht ziehen lassen. Statt sich über Connis späte Emanzipation zu freuen, veröffentlichte der Verlag kürzlich ein FAQ. Dort heißt es, die Verbreitung der Memes verletze Urheberrechte, man wolle gegen die Verwendungen vorgehen. Zwar wolle man niemanden pauschal verklagen, aber bei menschenverachtenden, rassistischen, gewaltverherrlichenden oder pornografischen Memes werde man das Netz räumen lassen. Erstmal nachvollziehbar. Doch gleichzeitig betont Carlsen: Man erteile grundsätzlich keine Genehmigung für Conni-Memes.

Sie hat Potential

Schade, denn Conni hätte Potenzial als Influencerin gehabt. Sie bringt ein bisschen mehr schönes Chaos in das weltweite Kinderzimmer namens Internet. Sie bricht aus ihrem spießigen Bilderbuch-Knast aus, solidarisiert sich mit allen, die keine Reitstunden oder verheiratete Eltern hatten, und könnte so auch repräsentativer für alle Kinder werden.

Auf die Ansage des Verlags reagierte das Internet, wie das Internet nun mal reagiert: mit noch mehr Memes, noch mehr Conni. Auf LinkedIn versuchte Carlsen, das Ganze mit einem eigenen Meme zu retten: Conni steht mit in die Hüften gestemmten Armen und ihrem Kater daneben, darunter: „Conni muss da mal was klarstellen.“ Der Verlag erklärte, er sei missverstanden worden, es gehe nur um extreme Fälle, die gelöscht werden sollten. Aber: Was einmal im Internet ist, bleibt auch dort. Löschen funktioniert nicht. Schade, dass ihr Verlag das nicht kapiert. Conni kann man nicht einfach zurück ins Regal stellen. Conni ist groß geworden. Und sie kommt nicht mehr nach Hause.

  • informationsspiegel

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