BSW-Jugendverband gegründet: Die junge Wagenknechtin

Berlin taz | Anastasia Wirsing wird Sahra Wagenknecht voraussichtlich keine Probleme bereiten. Kein Vergleich mit Kevin Kühnert, der als Juso-Chef einst eine Kampagne gegen die eigene Parteispitze und deren Koalitionsvertrag startete. Auch kein Vergleich mit Jette Nietzard von der Grünen Jugend, die ihre Parteifreunde regelmäßig mit TikTok-Posts auf die Palme bringt. „Das BSW und wir haben denselben Plan und dieselben Ziele“, sagt Wirsing am Sonntag in einem Telefonat mit der taz. „Es gibt höchstens in der Gewichtung einen Unterschied. Wir stehen voll und ganz hinter der Mutterpartei.“

Für das Gespräch musste Wirsing kurz an eine Raststätte fahren. Sie ist auf dem Heimweg aus dem Ruhrgebiet nach Thüringen. In Bochum hat sich am Tag zuvor das Jugendbündnis der Wagenknecht-Partei unter dem Kürzel JSW gegründet. Wirsing wurde zur Vorsitzenden gewählt.

Die 21-Jährige, die Deutsch und Philosophie auf Lehramt studiert, ist mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht familiär verbunden. Ihre Mutter ist die Thüringer Landtagsabgeordnete Anke Wirsing, die im Frühjahr erfolglos versucht hat, BSW-Landeschefin Katja Wolf zu stürzen. Wirsing senior teilte Wagenknechts Kritik, dass Wolf für eine Regierungsbeteiligung in Thüringen zu viele Zugeständnisse an CDU und SPD gemacht habe.

Wirsing junior ist nach eigenen Angaben nicht durch die Mutter, sondern durch die Inhalte zur Partei gekommen. „Mit dem BSW konnte ich mich inhaltlich identifizieren wie mit keiner Partei zuvor. Davor habe ich mich zu den politisch Heimatlosen gezählt“, sagt sie.

Thema Frieden als Anziehungspunkt für junge Wäh­le­r*in­nen

Zwei Themen sieht sie als Schwerpunkte für sich und das Jugendbündnis: Bildungs­gerechtigkeit und Frieden. „In meiner Schulzeit war ich Schülersprecherin, und ich habe schon damals gesehen, wie Klassenkameraden wegen ihres sozialen Backgrounds abgehängt werden.“ Sie fordert eine Bildungsreform, spricht sich unter anderem für Gesamtschulen aus.

Bezüglich des Friedens warb Wirsing in einem Vorstellungsvideo auf Instagram vor ihrer Wahl für „internationale Kooperationen statt moralischer Sanktionen“. Ob im Falle des Ukrainekriegs nicht gerade erst US-Präsident Donald Trump daran gescheitert ist, Wladimir Putin in Gesprächen zum Einlenken zu bewegen? „Kriege wird man nicht mit Waffen beenden, sondern indem man sich an einen Tisch setzt“, antwortet Wirsing am Telefon.

Beim Thema Krieg und Frieden sieht das BSW offensichtlich Potenzial, unter jüngeren Wäh­le­r*in­nen zu punkten. Zur Gründungsversammlung in Bochum kam Parteichefin Wagenknecht zwar nicht persönlich, aber sie hat eine Videobotschaft aus dem Urlaub geschickt. Darin wirft sie der Bundesregierung vor, die Wehrpflicht „wieder einführen“ zu wollen – „was ja ganz viele junge Menschen betrifft“. Ähnlich klingt es in Grußworten anderer BSW-Granden.

Nach Parteiangaben waren zum Auftakt 150 junge Mitglieder und Un­ter­stüt­ze­r*in­nen vor Ort. Die Unterscheidung ist relevant: Formal ist die Wagenknecht-Jugend kein eigenständiger Verband, sondern eine Arbeitsgruppe innerhalb der Partei. Nur BSW-Mitglieder können voll mitmischen – und bei der Bearbeitung von Aufnahmeanträgen lässt sich das Wagenknecht-Bündnis bekanntlich Zeit. Kein Problem für JSW-Chefin Wirsing, auch wenn das Jugendbündnis dadurch nicht mit voller Geschwindigkeit wachsen kann: „Ich stehe hinter dem Plan der Parteispitze, alle Mitgliedsanträge bis zum Jahresende zu prüfen, statt wahllos aufzumachen“, sagt sie.

Und dann gibt es da noch eine weitere Frage, in der Wirsing loyal zur BSW-Führung steht: Erst vor wenigen Wochen hat Sahra Wagenknecht deutlich die Brandmauer zur AfD infrage gestellt. In Thüringen gab es bereits ein Treffen zwischen BSW-Fraktionschef Frank Augsten und dem Rechtsextremen Björn Höcke. „Koalitionen mit der AfD schließe ich aus, weil wir nicht genug Schnittmengen haben“, sagt JSW-Chefin Wirsing dazu. „Aber ich bin dafür, dass man diplomatisch rangeht und sich mit jeder Partei unterhält. Das macht Politik aus.“

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