Drogenkonsum in Berlin: Mies vercracktes Berlin

Berlin taz | Sie will noch nicht ins Bett, hat doch gerade erst eine „gefetzt“. Die Ganze Generation Z sei am Montag eh „mies vercrackt“. Das singt die Berliner Rapperin Ikkimel in ihrem Song „Deutschland“, gemeinsam mit dem Rapper Ski Aggu. In einem anderen Track rappt die Mitte-20-Jährige: „Keta und Krawall, meine Nase ist wund.“ Die Sängerin Zsá Zsá singt von „Xanax, high sein, Rauschgift illegal“, der Rapper Pashanim lässt uns wissen: „Meine Freunde sind auf Lean wie Heroin.“

Die Verherrlichung und Ästhetisierung von chemischen Drogen hat in der Berliner Popkultur Hochkonjunktur. Wer nicht ballert, gehört nicht dazu. In der Feierszene sind Koks, Keta und andere Substanzen Teil der Szene-Codes: Das Kokstaxi wird schon beim Abendessen bestellt, auf Dating-Apps inszenieren sich Menschen mit Nasendusche, sich Pferdebetäubungsmittel (Ketamin) reinzuknallen, ist Kult. Du warst noch nie im Berghain und hast dir drei Nächte lang die Nasenscheidewand aus’m Leib geballert? Wie provinziell.

Die Kehrseite: Während die Zahl der drogenbedingten Todesfälle bundesweit abnimmt, steigt sie in Berlin an. Die Berliner Polizei verzeichnete mit 294 Opfern 2024 einen Höchststand – zehn Prozent mehr als 2023. In diesen Schritten wächst die Zahl seit Jahren.

Besonders makaber: dass selbst Unternehmen sich der Codes bedienen. Audi wirbt am RAW-Gelände in Friedrichshain für sein E-Auto mit „Typisch Berlin: Elektro und Speed“. Der Fahrdienst-Anbieter Clevershuttle wirbt mit Slogans wie: „Wie Koks-Taxi. Nur ohne Koks“. Auch in Serien wie „4 Blocks“ oder „Dogs of Berlin“ wird der exzessive Drogenkonsum als Teil des coolen Stadtimages inszeniert – Produktionen, die vom Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert werden.

Drogen und Techno eng verzahnt

Chemische Drogen gehören seit jeher zur Berliner Techno-Kultur. Dass sie in der Popkultur besungen und stilisiert werden, ist nicht neu. Neu ist ihre massenhafte Verbreitung, vor allem in den sozialen Medien. Auf Tiktok erreicht die Drogenszene Millio­nen: Unter Hashtags wie #RaveTok stolpern Berliner Raver mit riesigen Pupillen nach Tagen aus dem Berghain, Jugendliche filmen Slow-Motion-Clips von weißen Lines auf Spiegeln, bunten Pillen in der Handfläche und Rauchwolken, die mit Musik hinterlegt werden. Untertitelt wird das Ganze mit Sprüchen wie: „Große Teller = kleinere Probleme.“

Unter den Videos tauschen sich Nut­ze­r*in­nen über Dealerkontakte aus und darüber, wie alt sie beim ersten Konsum waren: 15, 13, 11 Jahre alt – die meisten minderjährig. Eine von ihnen schreibt: „War seit drei Jahren nicht ein einziges Mal mehr in der Schule, bin ein Junkie geworden, kann nicht mehr ohne Drogen und weiß, dass ich nicht älter als 20 werde.“

Die Sorge ist nicht unberechtigt. Drogentote werden in der Hauptstadt immer jünger. Im vergangenen Jahr starben 40 Personen unter 26 Jahren – darunter auch fünf Minderjährige.

Ikkimel hat recht: Die Gen Z ist mies vercrackt. Aber ihre Tracks, mit denen sie Millionen von Menschen erreicht, sind nicht unbedingt hilfreich.

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