Änderung beim Selbstbestimmungsgesetz: Gefahr eines „Sonderregisters“ für Queere

Berlin taz | Die Bundesregierung steht hinter den Plänen von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), mehr Daten über Personen zu erfassen, die das Selbstbestimmungsgesetz in Anspruch nehmen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor.

Laut einem Referentenentwurf will das Bundesinnenministerium (BMI) verordnen, beim Standesamt angepasste Namens- und Geschlechtseinträge mit drei neuen Vermerken zu kennzeichnen. Sie sollen festhalten, unter welchem Geschlecht die Person zuvor bei den Behörden geführt war sowie wann und wo die Anpassung des Geschlechtseintrages stattgefunden hat. Diese Daten sollen an andere Behörden weitergegeben werden. Zudem sollen sie dem Meldeamt etwa bei einem Umzug angezeigt werden. Verbände und Betroffene warnen vor der Gefahr eines „Sonderregisters“ queerer Menschen, sowie eines Zwangsoutings vor Behörden (die taz berichtete).

Diese Kritik teilt auch die Abgeordnete und queerpolitische Sprecherin der Grünen, Nyke Slawik; sie ist Initiatorin der Anfrage. „Anstatt Schutz vor Gewalt und Diskriminierung zu bieten, ermöglicht Bundesinnenminister Dobrindt mit der Weitergabe höchst sensibler Daten ungewollte Outings beim Kontakt mit Behörden“, sagt Slawik. Das sei vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl an Übergriffen gegen trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen „politisch absolut verantwortungslos“.

Seitens der Bundesregierung heißt es, das Erfassen des früheren Namens sei notwendig, um „Datensätze zweifelsfrei und dauerhaft der richtigen Person zuzuordnen“. Wie bei einer Änderung des Nachnamens würden alte Daten gespeichert, ohne nach dem Rechtsgrund für die Änderung zu unterscheiden. Rückwirkend gelten die Änderungen nicht. Es soll der betroffenen Person ab Inkrafttreten der Verordnung aber auch nicht möglich sein, der Verarbeitung der Daten zu widersprechen.

Keine schützende Melderegistersperre mehr

Als Reaktion auf die von Verbänden geäußerte Warnung vor Diskriminierung schreibt die Regierung: Eine „isolierte Suchanfrage nach dem früheren Geschlechtseintrag“ sei beim Amt „ausgeschlossen“. Der zusätzliche Vermerk, dass eine Änderung des Namens vorgenommen wurde, wird allerdings bei jedem Behördenkontakt sichtbar sein.

Das Selbstbestimmungsgesetz in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) wurde von der Ampel-Regierung im vergangenen Jahr eingeführt, um die Diskriminierung von trans-, intergeschlechtlichen und nonbinären Personen zu reduzieren. Sie müssen kein psychiatrisches Gutachten mehr vorlegen, wie es laut dem bis dahin gültigen „Transsexuellengesetz“ der Fall war. Allerdings galt darunter auch eine Melderegistersperre „zugunsten eines sehr strengen Schutzes“ der Betroffenen. Nur, wenn „besondere Gründe des öffentlichen Interesses“ – also sicherheitsbedingt – vorlagen, konnten die alten Daten eingesehen werden. Dieser Schutz soll nun wegfallen. Er lasse sich nach „jetzt geltender Rechtslage nicht aufrechterhalten“, so die Regierung.

Die Union war von Anfang an Gegnerin des Selbstbestimmungsgesetzes, noch im Wahlprogramm hatte die Fraktion angekündigt, es wieder abschaffen zu wollen. Die Argumentation klang da noch anders: Man wolle einen „leichtfertigen Geschlechtswechsel“ etwa bei Jugendlichen verhindern. Die Forderung sei transfeindlich, hieß es damals aus Verbänden. Mit dem Koalitionspartner SPD wurde dann der Kompromiss vereinbart, das Gesetz bis 2026 zu evaluieren.

Neonazi Liebich war ohne Register identifizierbar

Hört man auf jüngste Aussagen von Innenminister Dobrindt, zielt sein aktueller Vorstoß gegen das SBGG nun darauf ab, das Gesetz vor Missbrauch schützen zu wollen. Am vergangenen Wochenende sagte Dobrindt gegenüber dem Stern, er wolle „Regeln gegen den Missbrauch des Geschlechterwechsels“ verankern. Die Wortwahl hat sich gegenüber dem Wahlprogramm kaum geändert.

Futter für Dobrindts neuen Vorstoß liefert der bisher einzig bekannte Fall offensichtlichen Missbrauchs des SBGG durch die verurteilte Rechtsextremistin Marla-Svenja Liebich. Für Volksverhetzung, üble Nachrede und Beleidigung verurteilt, soll Liebich die Freiheitsstrafe nun in einem Frauengefängnis absitzen. Dabei hat sich Liebich noch bis zuletzt explizit queerfeindlich geäußert. Dass Liebich mit der Namensänderung provozieren wollte, gilt als unstrittig.

Grünen-Abgeordnete Slawik sieht keinen Grund, die Regelung wegen eines einzelnen Missbrauchs zu ändern: „Liebich hat nach November 2024 das Selbstbestimmungsgesetz für sich genutzt. Die Sicherheitsbehörden und die Justiz hatten aber offenkundig zu keinem Zeitpunkt Probleme, die betreffende Person zu identifizieren oder ausfindig machen zu können“, sagt sie. Die Grundrechte queerer Menschen nun pauschal zu beschneiden, wäre „populistisch und entsetzlich zugleich.“

  • informationsspiegel

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