Marla-Svenja Liebich auf der Flucht: Liebesgrüße aus Moskau

S ven Liebich ist eine rechtsextreme Rampensau. Für seinen neusten aufmerksamkeitsökonomischen Trick lässt er sich gänzlich verschwinden – und seine Social-Media-Follower raten, wohin er geflohen ist.

Bis Freitagabend sollte der 54-jährige Neonazi aus Halle eine Haftstrafe antreten: 18 Monate wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung. Weil Liebich – bekanntermaßen queerfeindlich – im Januar sein Geschlecht offiziell ändern ließ und inzwischen offiziell Marla-Svenja Liebich heißt, soll er die Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz absitzen – in einem Frauengefängnis. Er versprach eine Art Pressekonferenz vor dem Haftantritt direkt vor dem Gefängnis.

Erschienen ist Liebich nicht, sondern untergetaucht. In einer Telegram-Sprachnachricht an seine Fans sagte er, er könne an „dieser schönen Zusammenkunft heute“ nicht teilnehmen, da er sich „in einem Drittland“ befinde. Damit ist Liebich einer von mehr als 500 Rechtsextremen, die in Deutschland per Haftbefehl gesucht werden. Ist Liebich, wie er in den sozialen Medien behauptet, nun in Moskau? Falls es stimmen sollte, wird er schnell Gleichgesinnte finden.

Provokation gehört zu Liebichs Geschäftsmodell. Seit 2011 betreibt er einen Online-Gemischtwarenladen für Hass und Hetze. Je provokanter der Spruch, umso mehr Aufmerksamkeit bekommt er – und Geld. Die Motive reichen von Putin-freundlich bis stramm antisemitisch.

Auch seine offizielle Geschlechts­änderung im Januar gilt als weitere Provokation: Er will sich fortan mit Sonnenhut, Leopardenbluse und runder Sonnenbrille als Dame inszenieren. Und forderte Schmerzensgeld, nachdem Medien ihn missgendert hatten (eine Beschwerde hat der Presserat inzwischen als unbegründet zurückgewiesen).

Stilisierung als Opfer

Auch Liebichs Flucht vor der Justiz schlachtet er medial und geschäftsmännisch aus. Er deutet an, in Russland zu sein, teilt KI-generierte Memes von ihm in Moskau – darunter ein James-Bond-Plakat mit dem Konterfei Liebichs, der Aufschrift „Liebesgrüße aus Moskau“ und dem Hashtag #runningwoman. „Ein echter Vorteil: Schon als kleines Mädchen war ich auf einer Schule mit erweitertem Russisch­unterricht“, schreibt er. Gleichzeitig hätten die USA Interesse bekundet, ihm Asyl zu gewähren, behauptet Liebich weiter. In seinem Webshop verkauft er eine Reihe neuer Motive, inspiriert von seiner Flucht: Eines zeigt ihn vor der Freiheitsstatue in New York.

Liebichs Plan geht auf: Medien von der Bild bis zum Spiegel greifen seine Fluchtinszenierung auf, Rechtsextreme wie Martin Sellner und Tommy Frenck feuern ihn an. Liebich selbst kommentiert sein Untertauchen im Stundentakt auf Social Media, er genießt die Jagd, als sei er Protagonist des Spielfilms „Catch Me If You Can“. Statt ins Gefängnis zu gehen, hat er erneut für Aufruhr gesorgt und stilisiert sich als Verfolgter eines Unrechtsregimes.

Ob Liebich wirklich in Russland ist – einem tatsächlichen Unrechtsregime –, bleibt unklar. Er wäre in Moskau aber in bester Gesellschaft. Man stellt sich eine WG des Grauens vor: Liebich zusammen mit den anderen Geflohenen und Gesuchten der Welt, die in Putins Diktatur ein neues Zuhause gefunden haben.

In Gesellschaft mit Assad, Marsalek, Snowden?

Etwa Baschar al-Assad, der gestürzte Despot und Massenmörder Syriens. Oder Jan Marsalek, jener Wirecard-Manager, der mutmaßlich hinter einem der größten Wirtschaftsskandale der Geschichte stand, jahrelang für den russischen Geheimdienst spioniert und Kontakt zur berüchtigten Miliz der Gruppe Wagner gepflegt haben soll. Vielleicht ist auch Edward Snowden dabei, der NSA-Whistleblower, der die digitale Massenüberwachung der USA enthüllte. Oder Karin Kneissl, die ehemalige, FPÖ-nahe Außenministerin aus Österreich, die sich politisch verfolgt und beruflich „vernichtet“ fühlte und deshalb 2023 nach Russland zog.

Man denkt auch an den Familienvater aus Texas, der diesen Frühling ebenfalls nach Moskau mit seiner Frau und drei Töchtern zog, um „Wokeness“ in den USA zu entkommen. Nun wurde er an die Front geschickt, um gegen die Ukraine zu kämpfen – ohne Kampf­erfahrung, ohne Russischkenntnisse. Seine Frau mache sich große Sorgen, erzählte sie internationalen Medien.

Liebich, der seit Kriegsbeginn stolz mit Z-Symbolen posiert und russische Propaganda auf Merchandise druckt, müsste wissen, worauf er sich einlässt, sollte er sich tatsächlich in Russland befinden.

  • informationsspiegel

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