Gaza-Stadt: Israel ruft zur Flucht auf

Jerusalem taz | Auf Flugblättern, die Israels Militär über Gaza-Stadt abgeworfen hat, weist ein großer gelber Pfeil in Richtung Süden. „Begeben Sie sich in die humanitäre Zone al-Mawasi“, steht auf Arabisch darauf und in gleichlautenden Posts. Damit erklärt das Militär erstmals die gesamte Stadt vor der angekündigten Offensive zur Evakuierungszone. Verteidigungsminister Israel Katz drohte am Dienstagmorgen, die Stadt werde zerstört, falls die Hamas ihre Waffen nicht niederlege und die israelischen Geiseln nicht freilasse.

Im Norden des Gazastreifens halten sich Schätzungen zufolge weiter fast eine Million Menschen auf. Viele von ihnen ziehen nun Richtung Süden. Doch längst nicht alle wollen gehen. Viele sind bereits im vergangenen Jahr mehrfach geflohen und kehrten Anfang des Jahres in oft zerstörte Häuser zurück.

Nun fürchten sie ihre endgültige Vertreibung sowie die Flucht in bereits überfüllte und in weiten Teilen zerstörte Gebiete im Süden. Auch dort werden immer wieder Tote nach israelischen Angriffen gemeldet. Das UN-Nothilfebüro OCHA warnte im Fall einer Intensivierung der Militäroperationen in Gaza-Stadt vor einer „Katastrophe“ für die Zivilbevölkerung.

Die Drohungen israelischer Politiker schüren bei vielen Ängste, dass Gaza-Stadt in seiner heutigen Form bald nicht mehr existieren könnte. In den vergangenen Tagen wurden bei Luftangriffen bereits mehrere bewohnte Hochhäuser im Stadtzentrum zerstört.

Eine von den USA vorangetriebene diplomatische Lösung könnte die Offensive noch stoppen, ihr Erfolg ist jedoch zweifelhaft. Der Vorschlag fordert im Wesentlichen eine sofortige Freilassung aller 48 Geiseln, die Hamas und der Palästinensische Islamische Dschihad (PIJ) noch festhalten.

Weniger als 20 von ihnen sollen allerdings noch am Leben sein. Im Gegenzug will US-Präsident Donald Trump danach persönlich Verhandlungen für ein Ende des Gazakriegs führen. Israel würde zudem mehrere Tausend palästinensische Gefangene freilassen.

Hamas lehnt Trump-Vorschlag wohl ab

Israels Außenminister Gideon Sa’ar erklärte, sein Land stimme dem Vorschlag zu. Das Kabinett hat ihn jedoch laut Medienberichten noch nicht diskutiert. Regierungschef Benjamin Netanjahu hat sich dazu bisher nicht geäußert. Er ist auf seine rechtsextremen Koalitionspartner angewiesen, die jede Waffenruhe bisher ablehnen.

Für die Hamas ist der Vorschlag wenig überzeugend, berichtet das Nachrichtenportal Times of Israel unter Berufung auf einen arabischen Vermittler. Die radikalislamische Gruppe misstraut der Trump-Regierung, auch weil diese Israels Bruch der Waffenruhe im März mitgetragen hat.

Der Vorschlag liefert zudem keine Lösung für die Kernfragen, an denen bisherige Verhandlungen scheiterten. Israel fordert mindestens die Entwaffnung der Hamas. Die Gruppe lehnt das ab und fordert ihrerseits einen vollständigen israelischen Abzug aus Gaza, was die israelische Regierung mehrfach ausgeschlossen hat.

Unterdessen haben die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, den Anschlag am Montag nahe Jerusalem für sich reklamiert. Zwei palästinensische Attentäter hatten in einem Linienbus in Ostjerusalem das Feuer eröffnet und sechs Menschen getötet. Da­raufhin ging die israelische Armee im besetzten Westjordanland massiv vor. Soldaten stürmten mehrere Wohnungen, darunter die der Täter, und nahmen Angehörige fest.

Minister Katz kündigte zudem den Entzug von 750 Arbeitsgenehmigungen von entfernten Verwandten der Angreifer an. Bisher war lediglich der Entzug der Genehmigungen für direkte Verwandte von Attentätern gängige israelische Praxis. Kritiker sehen darin eine völkerrechtlich verbotene Kollektivstrafe. Viele Palästinenser im Westjordanland sind wirtschaftlich auf Arbeit in Israel angewiesen.

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