Das Deutschlandticket ist super: Das Schlimmste ist, wenn das Deutschlandticket alle ist

D ie Grenze verläuft nicht zwischen oben und unten, sie verläuft zwischen Auto und Bahn. Mag sein, dass das Deutschland-Ticket überproportional von Menschen genutzt wird, die okay bis gut verdienen. Aber nicht jede staatliche Maßnahme muss in erster Linie den Zweck erfüllen, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen.

Pro & Contra: Ist das Deutschlandticket unsozial?

Das Deutschlandticket wird 2026 teurer – schon wieder. Dabei sollte der Preis eigentlich bis 2029 stabil bleiben. Doch am Donnerstag haben die Ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen darauf geeinigt, dass das Ticket ab Januar 63 Euro im Monat kosten soll, statt bisher 59 Euro. Ist das noch sozial? Beim Deutschlandticket ist sozial, was das Klima schützt, meint Tobias Schulze. Nein, hält Matthias Kalle dagegen und fordert, das Ticket abzuschaffen.

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Auch der Klimaschutz ist ein legitimes Ziel, und dem ist mit dem Deutschland-Ticket bislang eindeutig gedient: Studien belegen, dass ein Großteil der Nut­ze­r*in­nen wegen des Tickets auf Autofahrten verzichtet. Wer von ihnen wie viel verdient, ist der Erdatmosphäre herzlich egal.

Naheliegenderweise werden die Autofahrten aber wieder zunehmen, wenn der Preis für Bus und Bahn durch die Decke schießt. Die 63 Euro, die für das Deutschland-Ticket jetzt geplant sind, entsprechen einer Teuerung von 28,6 Prozent innerhalb eines Jahres. Würde der Benzinpreis in dieser Größenordnung steigen – irgendein Hansel aus der CDU hätte sich schon längst an seine Tanksäule gekettet.

Eine soziale Staffelung beim Ticketpreis – billiger für niedrige Einkommen, teurer für höhere Einkommen – wäre fürs Klima allenfalls ein Nullsummenspiel. Nut­ze­r*in­nen aus der Mittelschicht, in der das Geld auch knapper wird, würden vermehrt zum Auto zurückwechseln.

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Die Ärmsten dagegen können sich eh keinen Pkw leisten. Ein billiger ÖPNV speziell für niedrige Einkommensgruppen würde ihnen also überhaupt erst Mobilität ermöglichen, aber kein CO2 einsparen.

Umverteilung zwischen den Bahn­fah­re­r*in­nen kann also nicht die Lösung sein. Das Geld muss an anderer Stelle geholt werden, und so schwierig wäre das gar nicht. Den Verkehrsunternehmen zufolge wären gerade mal 800 Millionen Euro mehr nötig, um den Preis für das Deutschland-Ticket zumindest stabil zu halten. Den Spielraum dafür hat der Staat.

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Allein durch die steuerliche Begünstigung von Dienstwagen mit Verbrennermotor lässt er sich mehrere Milliarden jährlich entgehen. Dem Klima schadet dieses Privileg eindeutig, sozial gerechter als das Deutschland-Ticket ist es auch nicht.

Im Gegenteil, von den 3 Prozent der Beschäftigten mit dem höchsten Gehalt fahren laut einer Studie von Agora Verkehrswende 38 Prozent einen Dienstwagen. Bei der Mehrheit der Arbeitnehmer*innen, die weniger als 4.000 Euro im Monat verdienen, sind es nur 7 Prozent. Arbeitslose bekommen generell kein Auto vom Arbeitgeber.

Knapp zwei Milliarden Euro pro Jahr lässt sich der Staat ab 2026 sogar zusätzlich entgehen, wenn Schwarz-Rot wie geplant die Pendlerpauschale erhöht. Auch sie schadet dem Klima, auch sie entlastet vor allem Gutverdienende. Von den Sub­ven­tio­nen für den Flugverkehr wollen wir gar nicht erst anfangen.

Rechnet man alles Pi mal Daumen zusammen, liegt das Sparpotenzial deutlich über 800 Millionen Euro. Der Preis für das Deutschland-Ticket ließe sich also nicht nur stabil halten, der Staat könnte ihn ­sogar wieder absenken. Dauerhaft und für alle.

Das sehen Sie ganz anders? Matthias Kalle auch. Hier lesen Sie sein Pro.

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