Angriffswelle bei Russlands Verbündeten: Syrien ist verloren, was ist nun mit Afrikas Sahelzone?

Berlin taz | Ein Tag bevor Syriens Rebellen ihre Offensive gegen das Assad-Regime begannen, reiste eine hochrangige russische Regierungsdelegation nach Afrika. Angeführt von Vizepremierminister Alexander Nowak und mit dem für Russlands Auslandseinsätze zuständigen Vizeverteidigungsminister Junus-bek Jewkurow im Tross, flogen die Vertreter Moskaus zuerst am 26. November nach Libyen zu General Haftar und dann weiter in die drei Sahelstaaten, wo mit Russland verbündete Militärputschisten herrschen: Mali, Burkina Faso und Niger.

Es ging bei dem „Freundschafts- und Arbeitsbesuch“ natürlich auch um militärische Zusammenarbeit. Malis Militärregierung erklärte, ihr Land wolle mit Russland „die historischen Beziehungen auf ein noch höheres strategisches Niveau anheben“. Niger bekam eine „große Lieferung Militärmaterial“, gab das dortige Verteidigungsministerium bekannt.

Glaubt man den offiziellen Verlautbarungen, wird die afrikanische Sahelzone als neues Projektionsfeld für Russlands globalen Machtanspruch immer wichtiger. Aber die zentrale Erwartung der afrikanischen Generäle – mit Russland endlich einen Partner zu finden, der mit ihnen ebenso rücksichtslos wie vor zehn Jahren in Syrien Rebellengruppen vernichtet – rückt in immer weitere Ferne.

In Niger starben in den zwölf Monaten nach dem Militärputsch von Juli 2023, der prorussische Generäle an die Macht brachte, 1.500 Menschen bei Angriffen bewaffneter islamistischer Gruppen beziehungsweise Kämpfen zwischen ihnen und der Armee. In den zwölf Monaten davor waren es 650 gewesen.

Der Krieg wird immer blutiger

Zunehmende Todeszahlen verzeichnen auch Mali und Burkina Faso. Mitte September überfielen islamistische Kämpfer militärische Einrichtungen, sogar mitten in Malis Hauptstadt Bamako.

In Burkina Faso wird der Krieg zwischen der von russischen Beratern unterstützten Armee und der zu al-Qaida gezählten islamistischen JNIM (Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime) im Norden des Landes immer blutiger: Bis zu 600 Menschen sollen Ende August im Ort Barsalogho massakriert worden sein, als JNIM mit Sturmgewehren das Feuer auf Menschen eröffnete, die Schützengräben aushoben.

Die Behörden sprachen von toten Zivilisten, JNIM von toten Paramilitärs. Lokale Gruppen sagten, die Armee habe die Bevölkerung gezwungen, Verteidigungslinien auszuheben, mit tödlichem Ergebnis.

In Niger hat es in der vergangenen Woche ebenfalls eine Reihe von Massakern gegeben. Bewaffnete überfielen am vergangenen Dienstag den Wochenmarkt der Stadt Téra nahe der Grenze zu Burkina Faso und töteten mindestens 90 Soldaten und 50 Zivilisten – der blutigste Angriff in Niger seit sechs Monaten. Weitere Tote in derselben Region gab es an den beiden Folgetagen.

Ökonomische Lebensader angegriffen

Durch diese Gegend verläuft die wichtigste Straßenverbindung von Nigers Hauptstadt Niamey nach Burkina Faso, von wo aus es weitergeht nach Togo und seinem Atlantikhafen Lomé. Es ist eine ökonomische Lebensader. Die neue Angriffswelle wird dem „Islamischen Staat der Großen Sahara“ (ISGS) zugeschrieben, der sich mit JNIM in mörderischer Konkurrenz befindet. Zugleich kommen die Angriffe damit Nigers Hauptstadt Niamey ungemütlich nahe.

Zunehmend nehmen die Islamisten auch die Russen selbst ins Visier. Ende Juli starben mehrere Dutzend russische Kämpfer beim vergeblichen Versuch, den Ort Tinzaouaten an Malis Grenze zu Algerien von Tuareg-Rebellen zu erobern – die höchsten Opferzahlen seit Beginn der russischen Militärintervention. In der Folge riet Russland seinen Bürgern von Reisen nach Mali und Niger ab. Eine Woche später präsentierte JNIM in Niger zwei russische Geiseln.

Was bedeutet die Anlehnung dieser Länder an Moskau nun, da Russland Syriens Assad-Regime widerstandslos fallen gelassen hat? „Bamako, Niamey und Ouaga sind nicht Damaskus“, schrieb ein nationalistischer malischer Kommentator am Freitag auf X – eher appellativ – in Bezug auf die Hauptstädte von Mali, Niger und Burkina Faso. „Wir beten.“

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