Viele Dortmunder schockte am späten Mittwochabend erst mal das Bild von Nico Schlotterbecks rechtem Fuß, das bereits wenige Minuten nach dem Abpfiff in den sozialen Medien aufploppte. Der Verteidiger war in der letzten Aktion des Spiels bei seinem vergeblichen Versuch, die 2:3-Niederlage des BVB gegen den FC Barcelona abzuwenden, schlimm umgeknickt. Der Verteidiger droht Wochen auszufallen.
Lange lag Schlotterbeck nach dem Abpfiff auf dem Rasen vor der Südtribüne, die gelbe Wand schwieg betroffen. Aber das war nicht der Grund, weshalb Nuri Sahin keine Lust hatte, sich mit den erfreulichen Aspekten dieses Abends zu befassen. Das Publikum hatte ein mitreißendes Duell geboten bekommen. Sahin jedoch zürnte. „Es kocht in mir“, sagte er.
Der Trainer war schon einverstanden mit der Leistung seiner Mannschaft, aber er wollte seinen Finger in die Wunde legen, statt nach den in solchen Fällen gern hervorgekramten Wohlfühlfloskeln zu greifen: „Wenn wir zu Gewinnern werden wollen, müssen wir diese Spiele gewinnen. Ich will nicht hören, dass wir ein gutes Spiel gemacht haben“, sagte er. Starke Leistungen reichen ihm nicht, und wer am Abend zuvor die zwar viel weniger unterhaltsame, dafür aber beinahe fehlerfreie Partie zwischen Bayer Leverkusen und Inter Mailand gesehen hatte, wusste genau, was Sahin meinte.
Es gibt einfach Teams, die jenseits aller Hingabe und unabhängig von individueller Klasse erwachsener, reifer, klüger und disziplinierter spielen als diese Dortmunder, die sich so oft selbst im Weg stehen. Seit Jahren und auch an diesem Abend.
Gefühlt im Vorteil
Sie hatten abermals selbstbewusst agiert und sich auf einem guten fußballerischen Niveau aus dem Druck der schwierigen ersten Halbzeit befreit, in der der FC Barcelona noch überlegen gewirkt hatte. Serhou Guirassy hatte per Elfmeter zum 1:1 getroffen (60.), hatte das 2:2 geschossen (78.), die dubiose Kraft, die eher ein Gefühl ist und gern mit dem Begriff „Momentum“ beschrieben wird, hatte danach eher auf einen Dortmunder Siegtreffer hingedeutet. Was aber blieb, sind die Fehler des BVB, die Sahin so sauer machen.
Vor dem 0:1 durch Raphinha (52.) agierte der über weite Strecken wieder starke Felix Nmecha nicht konsequent genug in einem Zweikampf, und vielleicht hätte Schlotterbeck auch mit weniger Risiko verteidigen müssen. Das zweite Gegentor (Ferran Torres, 75.) wurde möglich, weil Jamie Gittens auf dem Flügel zu sorglos agierte und seinen Gegenspieler Jules Koundé ungestört flanken ließ, auch Gregor Kobel machte nicht die beste Figur. Besonders ärgerlich war aber die Nachlässigkeit von Gittens vor Torres’ 2:3 (86.), als er einfach nicht zu einem Ball ging, den ihm Pascal Groß – womöglich etwas zu ungenau – zugespielt hatte. „Dass wir solche Fehler machen, das geht einfach nicht“, zürnte Sahin. „Das macht mich traurig.“
Es wird interessant, ob der junge Trainer dieses beim BVB gut bekannte Problem besser in den Griff bekommt als seine Vorgänger. Sahins offensiver Umgang mit den Nachlässigkeiten ist jedenfalls neu. In der Vergangenheit haben die Verantwortlichen immer wieder auf die Umbruchsituation im Kader und das junge Alter hingewiesen.
Die Verletzung von Nico Schlotterbeck ist nun besonders bitter. Der Innenverteidiger ist auf genau dem Entwicklungsfeld vorangekommen, auf dem die Dortmunder Mannschaft immer wieder Rückschläge erleidet: der Balance zwischen Enthusiasmus und Seriosität.