Bundesparteitag des BSW: Erst der Anfang

Bonn/Hamburg taz | Kanzler Olaf Scholz ein Politiker für „Reiche und Mächtige“, seine SPD eine „Rentenkürzungspartei“, sein Herausforderer Friedrich Merz (CDU) ein „Bettvorleger der Grünen“. Die wiederum die Partei, die „das Leben der Menschen immer teurer macht“ und „kriegsbesoffen“ ist – dazu die AfD als „Donald Trumps Fanclub“: Mit heftigen Attacken gegen Politiker anderer Parteien von Generalsekretär Christian Leye, Co-Parteichefin Amira Mohamed Ali und der Namensgeberin und selbsternannten Kanzlerkandidatin selbst ist das Bündnis Sahra Wagenknecht in Bonn in den Bundestagswahlkampf eingestiegen.

Im World Conference Center in Rheinnähe beschloss der zweite BSW-Bundesparteitag sein Wahlprogramm, das die Partei trotz aktuell schlechter Umfragen von 4 Prozent am 23. Februar in den Bundestag tragen soll. Abstimmungsberechtigt waren die 605 anwesenden der bundesweit rund 1.100 Parteimitglieder – rund 25.000 sogenannte „Unterstützer:innen“ haben es auch ein Jahr nach Parteigründung noch immer nicht in die Partei geschafft.

Zu Beginn des Wahlprogramms geht es um Friedenspolitik. Das BSW warnt vor einem Atomkrieg mit Russland – und lehnt deshalb die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen ebenso ab wie die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine. Für die soll generell „kein weiteres deutsches Steuergeld bereitgestellt“ werden.

Was das konkret bedeutet, machte die ursprünglich aus dem Ruhrgebiet stammende BSW-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen, die auf Platz 2 der Berliner Landesliste fürs Parlament kandidiert, klar: „Keine Waffen, kein Cent, erst recht keine Soldaten für die Ukraine“, rief sie unter Beifall. Stattdessen müsse sich Deutschland vom Einfluss der USA befreien und so seine „Souveränität“ wiedergewinnen, forderte Dağdelen unter dem Slogan „Ami go home“. Antiamerikanismus klang auch im Grußwort des Co-Herausgebers des Online-Magazins multipolar, Paul Schreyer, an: Der behauptete, es gebe ernsthafte Theorien, die den Ursprung des Coronavirus in US-Laboren sehen.

Aus Hamburg kamen die Partei-Rebellen Dejan Lazić und Norbert Weber

BSW will populistische Härte beim Thema Migration zeigen

Sozialpolitisch fordert das BSW eine Mindestrente nach 40 Versicherungsjahren, einen Mindestlohn von 15 Euro und längere Zahlungen von Arbeitslosengeld für „langjährige Beitragszahler“. In der Wagenknecht’schen russlandfreundlichen Tradition fordert das BSW „Energieimporte, die sich am Kriterium des niedrigsten Preises orientieren“, dazu ein Ende der „Autofeindlichkeit“, des Verbrennerverbots und des Heizungsgesetzes des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck.

Aus Hamburg angereist waren die Partei-Rebellen Dejan Lazić und Norbert Weber, die sich am migrationsfeindlichen Kurs der jungen Partei stören und hofften, das Ruder herumreißen zu können. Denn: Populistische Härte zeigen will das BSW auch beim Thema Migration. „Der unkontrollierte Zustrom von Menschen, über deren Biografie, Integrationsbereitschaft und Einstellung“ man sehr wenig wisse, sei „ein Sicherheitsrisiko“, schreibt Wagenknechts Partei in ihrem Wahlprogramm. Und Plakate mit Sahra Wagenknechts Konterfei werben mit dem Spruch „Unser Land wünscht sich weniger Migration“. Zudem sollten Menschen, die über sichere Drittstaaten einreisen, gar „kein Recht auf Aufenthalt“ mehr haben, weder ein Asylverfahren noch soziale Leistungen.

Lazić’ Streit mit dem BSW

Der Jurist Dejan Lazić, der sich in den 90ern in der Flüchtlingsarbeit engagierte und später Asylbewerber vertrat, erklärte auf Facebook, dies sei Volksverhetzung und bediene „rassistische sowie völkische Elemente“. Wäre dies ein AfD-Programm, gebe es sofort einen Aufschrei und Demos gegen rechts. Doch die Führung des BSW bestehe mehrheitlich aus gut integrierten Migranten, was es „nicht besser, sondern schlimmer“ mache. Auf dem Bundesparteitag wollte Lazić gegen diesen Kurs mobilisieren und kündigte an, sollte sich eine Mehrheit dafür entscheiden, „verlasse ich das BSW“.

Allerdings: Das BSW ist Lazić zuvorgekommen. Der Bundesvorstand entzog ihm und Weber alle Mitgliedsrechte und beantragte den Rauswurf, weil sie sich „parteischädigend“ verhielten. So durften sie die Bonner Parteitagshalle auch nicht betreten. Die beiden hatten öffentlich die „Top down“-Struktur des BSW kritisiert und dass nur der Bundesvorstand neue Mitglieder aufnimmt. Als Akt des Protests gründeten sie am 15. Dezember mit sieben BSW-Mitgliedern einen eigenen Landesverband und meldeten gar einen eigenen Kandidaten für die Bundestagswahl an. Seither tobt der Streit, auch auf juristischer Ebene.

Trotz des Streits blicken sowohl die BSW-Namensgeberin wie auch die Basis optimistisch auf die Bundestagswahl: „Ganz normal“ seien die aktuellen Umfrageergebnisse. „Wir haben eben noch keine Stammwählerschaft.“ Der Bundesparteitag sei erst der Auftakt des Wahlkampfs, meinte auch Claudia Wittig, in Sachsen-Anhalt auf Platz 3 der Landesliste: „Klar schaffen wir es in den Bundestag.“

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