E igentlich habe Friedrich Merz ja gar keinen Migrationswahlkampf machen wollen. Das liest man hier und da, seitdem der Kanzlerkandidat der CDU gefordert hat, es solle doch möglich sein, eingebürgerten Deutschen die Staatsbürgerschaft wieder abzuerkennen, falls diese straffällig werden. Das klingt so, als ob man als Politikprofi ganz aus Versehen in ein Wahlkampfthema hineinrasseln und dabei ganz unabsichtlich rassistische und dazu verfassungswidrige Forderungen erheben kann.
Welches Motiv steckt also tatsächlich hinter der Wortmeldung von Friedrich Merz?
War es nur ein weiterer Ausrutscher, der dem CDU-Kanzlerkandidat wohl wieder rein zufällig im Themenbereich der gesellschaftlichen Vielfalt unterlaufen ist, so wie bei den kleinen Paschas, die Lehrerinnen auf die Palme bringen; oder bei den Geflüchteten, die den Deutschen die Zahnarzttermine wegnehmen; oder den Ukrainer:innen, die Sozialtourismus betreiben? Solche Ausrutscher können natürlich auch einem Millionär mit Privatflugzeug passieren, der jahrelang auf höchster Ebene als Wirtschaftsanwalt tätig gewesen und dazu im Aufsichtsrat von BlackRock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, gesessen hat.
Oder war es doch ein kalkulierter und wohl überlegter Schachzug eines dirty Wahlkämpfers, der sich nicht zu schade ist, unrealistische und demokratisch nicht mehrheitsfähige Pläne zu formulieren, um ein paar AfD-geneigte richtige Deutsche mehr für sich zu gewinnen?
Ratespiele ohne Relevanz
Vielleicht will Friedrich Merz aber auch einfach nicht so blass aussehen neben seinen Spezis von der CSU, die in migrationspolitischen Fragen völlig enthemmt dem Wahltag entgegenfiebern („Knallhartkurs“, Alexander Dobrindt) – und die dieses Mal wirklich alle mitnehmen wollen, auch und gerade den rassistischen Bierzeltmob, der endlich mal wieder eine Ausländersau durchs Dorf jagen will.
Oder Merz sagt so etwas, weil er aufrichtig davon überzeugt ist.
Möglicherweise aber hat eine Mischung aus all dem Merz zu seiner Aussage über Staatsbürger:innen erster und zweiter Klasse gebracht. Das genaue Verhältnis dieser Faktoren dürfen gut vernetzte Hauptstadtjournalist:innen in den Polittalkshows der Nation ausdiskutieren.
Denn am Ende ist es nicht relevant, warum Merz gesagt hat, ein Entzug der Staatsbürgerschaft solle möglich sein, sondern dass er es gesagt hat.
Eine Folge solcher Aussagen ist, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt weiter zugrunde geht – die einen sehen sich in rassistischen Vorurteilen bestätigt, die anderen im Gefühl, nicht zur deutschen Gesellschaft zu gehören. Und wenn die Frustration einige Wahlkämpfe und Merz-Sätze später weit genug fortgeschritten ist, dann kann es sein, dass sich die einen rechtsextremen und die anderen islamistischen Terrorgruppen anschließen und handeln. Dabei will doch gerade auch die CDU ein sicheres Deutschland?
Relevant ist nicht, warum, sondern dass Merz gesagt hat, ein Entzug der Staatsbürgerschaft solle möglich sein
Friedrich Merz und seine Ausbürgerungsfantasien sind deshalb ein Sicherheitsrisiko für Deutschland. Das sollte nicht nur die vielen alarmieren, die unmittelbar davon betroffen sein könnten. Auch alle anderen, die an einem friedlichen Zusammenleben in Deutschland interessiert sind, sollten aufhorchen. Wer sich in Ratespielen über Motive von Politiker:innen und Analysen ihrer Wahlkampfstrategien verliert, kann dieses Sicherheitsrisiko leicht übersehen.