
Es ist Skepsis angebracht, wenn von einem „offiziell genehmigten Film“ die Rede ist, in dem eine Band erstmals in „eigenen Worten“ ihre Geschichte erzählt. Der Verdacht liegt nahe, dass sich auf Kosten einer kritischen Auseinandersetzung allzu sehr dem Wohlwollen der Beteiligten angedient wird und so manch unrühmliche, aber nicht unwichtige Details des Schaffens unbedacht bleiben. Diese Zweifel bestätigen sich recht schnell bei „Becoming Led Zeppelin“, ein als „hybrider Doku-Konzert-Film“ angepriesener Dokumentarfilm des irisch-britischen Regisseurs Bernard MacMahon.
In den zwei Stunden Laufzeit erzählen ausschließlich die drei noch lebenden Mitglieder Jimmy Page (Gitarre), Robert Plant (Gesang) und John Paul Jones (Bass) von den Ursprüngen und dem rasanten Aufstieg ihrer Band, die zweifellos zu den größten und einflussreichsten Musikgruppen der Rockgeschichte zählt. Tonbandausschnitte aus einem erstmals veröffentlichten Interview des 1980 verstorbenen Drummers John Bonham ergänzen die anekdotenreichen Erzählungen über die frühe Phase ihrer Karriere, die erwartungsgemäß mit reichlich Archivmaterial unterlegt werden.
Es mutet jedoch etwas befremdlich an, dass im ganzen Film mit keinem Wort Bonhams fürchterliche Todesumstände erwähnt werden. Der schwere Alkoholiker erstickte im Schlaf an seinem eigenen Erbrochenem, nachdem er vierzig Shots Wodka hinuntergestürzt hatte. Eine Tragödie, die für seine Bandkollegen ein großer Schock gewesen sein musste.
Dass es sich bei „Becoming Led Zeppelin“ mehr um eine arglose Beweihräucherung der Pioniere des Hard Rock und Heavy Metal handelt (Led Zeppelin lehnen bis heute diese Einordnung ab) als um eine differenzierte Auseinandersetzung mit ihrem Schaffen, offenbart Regisseur MacMahon in einem Interview. Um die Gunst von Jimmy Page, dem führenden Kopf der Band, zu gewinnen, musste er ihm zunächst ein Storyboard mit jeder einzelnen Einstellung des Films zeigen. Erst nachdem dieser das Skript absegnete, gab der Rest der Band MacMahon die Zusage für sein Vorhaben.
„Becoming Led Zeppelin“. Regie: Bernard MacMahon. Vereinigtes Königreich/USA 2025, 122 Min.
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Ihre eigene Geschichte können die drei Männer, die mittlerweile auf die 80 zugehen, mit viel Charme und Witz erzählen. Wenn sie etwa auf ihre Kindheit und Jugend im Nachkriegsengland zurückblicken und davon erzählen, wie sie der aus den USA rüberschwappende Rhythm and Blues gleich einer musikalischen Offenbarung in den Bann zog und ihren weiteren Werdegang besiegelte. Led Zeppelins Sound wäre ohne den Einfluss afroamerikanischer Musiker:innen nicht denkbar.
Rechtsstreit zugunsten Willie Dixons
Dass sich die Band allzu freizügig an ihren Vorbildern aus Übersee bediente und es nicht für nötig hielt, entsprechende Credits auszuweisen, sparen sie in ihren Anekdoten geflissentlich aus. 1985 kam es zu einem Rechtsstreit zugunsten Willie Dixons, dessen Song „You Need Love“ als Grundlage für die Lyrics von Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ diente. 2011 kam es zwischen der Band und dem Musiker Jake Holmes zu einer Einigung, dessen Song „Dazed and Confused“ sie für ihr Debütalbum „Led Zeppelin I“ mit einem neuen Text versahen und neu arrangierten – ohne Nennung der Urheberschaft.
Es wäre jedoch vermessen, hier von Plagiat zu sprechen. Led Zeppelin, das beweisen die Bandmitglieder im Film ein aufs andere Mal, war eine Gruppe extrem talentierter Musiknerds, die einerseits ihren Einflüssen Tribut zollten und andererseits in der Verschmelzung mit Folk, Psychedelic und nicht zuletzt hartem Gitarrenrock einen Sound für die Ewigkeit kreierten. Ihr Song „Whole Lotta Love“ mag sich zwar lyrisch an Willie Dixons Werk bedient haben, das eröffnende Gitarrenriff hat in seiner treibenden Einfachheit jedoch keinerlei Ähnlichkeit zu Dixons Song.
Im Gegensatz zu The Who oder wenig später den Sex Pistols findet sich in Led Zeppelins Musik keine Rebellion, kein Klassenstandpunkt, kein Aufbegehren gegen den Konservatismus ihrer Zeit. Die Band interessierte sich weniger für Politik und umso mehr für ihre musikalischen Spielereien.
Ihre Mitglieder waren keine Mods oder Punks, die mit der Bandgründung erstmals ein Instrument in der Hand hielten. So lernten sich Jimmy Page und John Paul Jones in den 60ern kennen, als sie bereits als professionelle Studiomusiker zusammenarbeiteten und für so illustre Musiker:innen wie Shirley Bassey tätig waren, jene Sängerin des Titelsongs von James Bonds „Goldfinger“.
Aufstieg zu Superstars
Es ist bis heute verblüffend, mit welcher Geschwindigkeit sich die Band von ihrer Gründung im August 1968 über die Aufnahmen ihres Debüts „Led Zeppelin I“ in den Londoner Olympic Studios bis zum Erscheinen ihres zweiten Albums, „Led Zeppelin II“, im Oktober 1969 an den Zenit ihrer Karriere hochkatapultierten. Bereits auf ihrer ersten Amerikatour, zu der sie an Heiligabend 1968 aufbrachen, spielten sie insgesamt 139 Konzerte und nahmen zwischendrin noch in 12 verschiedenen Studios in fünf Städten ihr zweites Album auf.
Die körnigen Konzertaufnahmen aus dieser Zeit, einige der gespielten Songs werden in Gänze gezeigt, sind zweifellos das Herzstück des Films, der für die IMAX-Leinwand produziert wurde. Wie jene von ihrem Auftritt in der Royal Albert Hall im Januar 1970, nachdem Led Zeppelin auch in ihrem zunächst gleichgültigen Heimatland zu Superstars aufstiegen, oder zahlreiche Fernsehauftritte, in denen dem Publikum die körperliche Erfahrung der Musik wortwörtlich anzusehen ist (manche halten sich die Ohren zu), die der für damalige Verhältnisse radikale Sound ausgelöst hatte.
Dass dieser neuartige Sound von der Kritik zunächst verschmäht wurde, wird zwar kurz erwähnt. Doch warum sich Publikum und Musikpresse teils so uneinig waren (der amerikanische Rolling Stone verriss das Debütalbum und bezeichnete Jimmy Page als begrenzten Produzenten, der „schwache Songs ohne Ideen“ schreibe), lässt der Film unbeantwortet.

Vielleicht hatten ja auch die dümmlichen und zuweilen frauenverachtenden Songtexte ihren Anteil daran, dass die Band nicht ernst genommen wurde. Wenn es in „Dazed and Confused“ heißt „Every day I work so hard, bringin’ home my hard-earned pay / Try and love you baby but you push me away“, dürften auch damals schon manche Kritiker:innen innerlich zusammengezuckt sein.
Adrette Rock-Opas
Led Zeppelin revolutionierte nicht nur den Rock, sondern etablierte als eine der ersten Bands das, was gern als „Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll“ verharmlost wird. Wer wissen möchte, was das im Falle Led Zeppelins bedeutet, dem sei die schonungslose Biografie von Bob Spitz zu empfehlen, die im Oktober letzten Jahres auf Deutsch erschien und keine Details ausspart. Etwa dass der Manager Peter Grant die Konzertveranstalter zwang, in bar zu zahlen, um Steuern zu vermeiden.
So tourte die Band mit Hunderttausenden von Dollar im Gepäck durch die USA. Oder dass sich dessen Handlanger Richard Cole unter der Bühnenfront versteckte, um zu nahe kommende Fans mit einem Hammer auf die Kniescheiben zu schlagen.
Auch das Verhältnis des damals 29-jährigen Jimmy Page mit einem 14-jährigen Mädchen wird im Buch nicht ausgespart. Eine der erschreckendsten Stellen darin erzählt von einer Party in Seattle während der US-Tour 1969, auf der ein 17-jähriges Mädchen von zwei Männern mit einem Fisch sexuell missbraucht wurde – im Beisein von Bandmitgliedern und ihren Ehefrauen. Einzelheiten, die das Bild der adretten Rock-Opas in „Becoming Led Zeppelin“ nur stören würden.