Dokumentarfilm „Ein Tag ohne Frauen“: Im Land mit der kleinsten Lohnlücke

W enn ihr das Wort ‚Streik‘ nicht mögt“, das riet vor 50 Jahren eine Isländerin zaudernden Geschlechtsgenossinnen, „dann nennt es doch einfach ‚freier Tag!‘“ Trick 17. Aber der klappt wieder mal vorzüglich: Der Dokumentarfilm „Ein Tag ohne Frauen“ erzählt von der größten feministischen Demonstration des kleinsten nordischen Landes – vom 24. Oktober 1975, an dem nahezu alle Frauen der Insel, egal ob Hausfrauen, Lehrerinnen oder Bankangestellte, egal welchen Alters und welchen politischen Lagers, gemeinsam für gerechte Bezahlung und Teilhabe demonstrierten, anstatt für wenig oder gar kein Geld zu arbeiten.

Über 90 Prozent der Frauen waren dabei, viele trafen sich auf dem Marktplatz von Reykjavík und sangen gemeinsam ein eigens für den Streik getextetes Lied.

Sogar auf dem Wasser galt die feministische Solidarität: Drei Frauen, die als Putzkräfte auf einem Schiff angeheuert hatten, erinnern sich im Film, wie sie sich in einer Kajüte einschlossen und nicht mal den wütend gegen die Tür hämmernden Kapitän hineinließen. Dabei galt er, sagt die eine, doch als „allmächtig, sobald man das Ufer verlässt“ – wie passend für einen Beruf, in dem es bis heute nur zwei bis drei Prozent Frauenanteil gibt.

Die Welt schaute auf Island

Die Setzerinnen der größten isländischen Tageszeitung hatten sich in langen Verhandlungen mit den beiden Männern aus der Chefetage bereit erklärt, die Ausgabe vom 24. Oktober in der Nacht zuvor so weit vorzuproduzieren, dass sie am nächsten Morgen ohne ihr Zutun, aber mit einer der Aktion gewidmeten Titelseite erscheinen könnte. Dabei hätten die Frauen diese Garantie gar nicht gebraucht: Die Morgunblaðið wäre schön blöd gewesen, nicht mit dem „Frauenstreik“ aufzumachen – er wurde zur Legende. Die Welt schaute auf Island.

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Um das Ganze mit einer Portion auch bildungsbürgerlich verständlichem Sex zu würzen, hatte die internationale Wochenzeitung The Economist ihre Berichterstattung mit „Aristophanes neu geschrieben“ betitelt – Aristophanes’ bekannteste Komödie „Lysistrata“ beruht auf einem weiblichen Sexstreik.

„Unsere Wut war wunderschön“, sagt eine der vielen sympathischen, energischen und durch Solidarität und Skyr für die Ewigkeit gerüsteten Dóttirs im Film. Island gilt übrigens seit über 14 Jahren als Land mit der kleinsten Lohnlücke zwischen Männern und Frauen international. Und die 1975 mitstreikende Vigdís Finnbogadóttir wurde 1980 in Island zum ersten weiblichen Staatsoberhaupt weltweit gewählt. „Ich wollte immer Kapitänin werden“, erzählt sie im Film.

Wunderschöne Wut

Wer also das hier gerade liest, weil er durch den Verdi-Streik einen Zeit-Snack angeboten bekommen oder gleich den ganzen Urlaub (oder Geschäftsflug) sausen gelassen hat oder weil er diese Zeitung neben einer wegen der streikenden Müllabfuhr überquellenden Mülltonne gefunden und aufgehoben hat, dem hilft das Bild der „wunderschönen Wut“ hoffentlich ein kleines bisschen.

Für den nächsten großen Streik könnten sich ruhig mal Männer zusammentun. Ich schlage vor, dass einen Tag lang alle Männer weltweit das Autofahren bestreiken. Wenn unbedingt etwas oder jemand per Individualverkehr transportiert werden muss, machen das Fahrerinnen. Die Folgen kann man sich nicht in seinen kühnsten Träumen ausmalen: reduzierte Unfälle, reduzierte Umweltverschmutzung, reduzierte Herzinfarkte, keine Auto-Attentate.

Vermutlich ist es sinnvoll, zaudernden Geschlechtsgenossen die Idee als „freien Tag vom Autofahren“ zu verkaufen. Bei den Frauen Islands hat’s jedenfalls hervorragend geklappt.

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