Dreikönigstreffen der FDP: Lindner schmeißt sich an die Union ran

Fellbach/Stuttgart taz | Wenn Wolfgang Mutter mit der flachen Hand auf den Tisch haut, wackeln die Weingläser. Der 72-Jährige redet über die wirtschaftliche Situation im Land, es klirrt bei jedem zweiten Satz durch die Fellbacher Schwabenlandhalle. Hier, in Stuttgarts Nachbarstadt, ist die FDP am Vorabend ihres Dreikönigstreffens zu ihrem traditionellen bunten Abend zusammengekommen. Mutter ist sauer: Auf die Bürokratie, mit der die Wirtschaft gelähmt werde, auf die SPD, die er die Partei des „bürokratischen Sozialismus“ nennt.

Auch FDP-Chef Christian Lindner kritisiert der Unternehmer aus dem bayerischen Bernried. „Er war drei Jahre Finanzminister, was hat er geändert?“ Jemand müsse sich an das System trauen, mit einer mutigen Steuerreform. Die Leistungen Lindners seien „ein bisschen dünn“, sagt er. Als Impuls hat er deshalb einen Zettel für den FDP-Chef ausgedruckt. Steuer- und abgabenfreie Überstunden sowie steuerfreie Zuverdienste für Rentner lauten ihre Stichpunkte für Lindner. „Wenn er das sagt, dann kommt die FDP bei den Wahlen auf 13 Prozent“, ergänzt Walter Hüglin, Parteikollege Mutters, lachend.

Die Rede des FDP-Chefs zum Dreikönigstag am Montag in Stuttgart sehen viele hier als einen Startschuss für eine dringend herbeigesehnte Aufholjagd. Mit dem Eintritt in die Ampel ist die FDP aus mehreren Landtagen geflogen und liegt in Umfragen zwischen 3 und 5 Prozent.

Besonders bitter für die Liberalen ist, dass der Austritt aus der unbeliebten Koalition bislang nicht zu mehr Beliebtheit führt: Die Affäre um das D-Day-Papier, Lindners Gedankenspiele, mehr Musk und Milei zu wagen, sorgten für Kopfschütteln.

Das Dilemma mit der Union

Bei seiner Rede in der Stuttgarter Oper am Montag nimmt der Parteichef Stellung zu diesen Irritationen, die noch stärker wurden, seit Tech-Oligarch Elon Musk sich in einem Welt-Gastbeitrag für die Wahl der AfD ausgesprochen hatte. „Es ist bekannt, dass ich beeindruckt bin von der Unternehmungskraft eines Elon Musk“, sagt Lindner. Doch diese Gestaltungskraft sei nicht unbedingt verbunden mit politischem Urteilsvermögen. Das Publikum quittiert diese Volte des Parteichefs mit Applaus.

Waren etwa aus der hessischen Parteibasis nach dem Ampel-Aus durchaus noch kritische Töne zur Kommunika­tions­strategie der FDP-Führung zu hören, sind diese Stimmen nun weitestgehend verstummt – vorerst. Schließlich geht es bei den Wahlen um nicht weniger als das mittelfristige politische Überleben der FDP. Lindner wird daran gemessen werden, ob es für die Liberalen zum Wiedereinzug in den Bundestag reicht. Dabei hängt sehr vieles an ihm, seit er die Partei 2017 aus der Asche der außerparlamentarischen Opposition zurück in den Bundestag geführt hatte und die Liberalen in den folgenden Jahren stark an seinem Profil ausgerichtet hatte.

Friedrich Merz wird nach dem aktuellen Stand der Dinge der nächste Kanzler sein.

Christian Lindner, FDP-Chef

Das Programm der Liberalen, das unter anderem niedrigere Steuern für Reiche vorsieht, stellt die Partei im Wahlkampf allerdings vor die Schwierigkeit, sich gegenüber der Union und deren Spitzenkandidat Friedrich Merz in Position zu bringen. In seiner Rede versucht Lindner aus dieser Versenkung zu kriechen, indem er sich an die Union ranschmeißt. „Friedrich Merz wird nach dem aktuellen Stand der Dinge der nächste Kanzler sein“, sagt Lindner. Um zu verhindern, dass es mit einer schwarz-roten Bundesregierung oder gar einer Koalition mit Union und Grünen zu einer „Ampel light“ käme, sagt Lindner, müsse die nächste Bundesregierung schwarz-gelb sein.

„Heilfroh“ über das Ende der Ampel

Kurz wagt Lindner auch den Rückblick auf die Ampel: Einiges habe man erreicht. So, wie es der FDP-Chef sagt, klingt es jedoch nicht, als habe man Dinge gemeinsam entschieden, sondern sich gegen die ehemaligen Koalitionspartner durchgesetzt. Lindner lobt die Aufhebung der Coronamaßnahmen gegen den Willen Karl Lauterbachs.

Auch auf Kritiker aus den eigenen Reihen geht Lindner ein, etwa jene Basisinitiative, die schon vor einem Jahr zum Ampel-Aus drängten. Er bedauere, dass die FDP nicht vorher mehr Konsequenz gezeigt hätte, sagt Lindner reumütig.

Hüglin und Mutter, die FDPler aus Bayern, sind jedenfalls „heilfroh“ über das Ende der Ampel. Und als Lindner ihre Stichpunkte in seiner Rede aufgreift, jauchzen beide. Ob das die FDP allerdings zu den erhofften 13 Prozent trägt, steht auf einem anderen Blatt.

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