
Die rund 20 Millionen Menschen im Großraum Istanbul kamen mit dem Schrecken davon. Einige Ruinen stürzten ein, in einigen Supermärkten kippten die Regale um, aber das war es. Das Beben der Stärke 6,2 auf der Richterskala ereignete sich im Marmarameer, vor den westlichen Vororten Istanbuls auf der europäischen Seite der Stadt. Doch selbst in den Bezirken, die dem Zentrum des Bebens direkt gegenüberlagen, wurde niemand verletzt. Das betrifft auch den Vorort Silivre, wo gerade der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu im Hochsicherheitsgefängnis sitzt.
Nach Informationen des Vorsitzenden der CHP, Özgür Özel, ist weder İmamoğlu noch anderen Gefangenen etwas passiert. Den ganzen Mittwochnachmittag über kam es zu Nachbeben, die aber an Stärke abnahmen. Trotzdem warnten Geologen, es können in den folgenden Tagen zu weiteren Beben kommen. Viele Leute blieben draußen und warteten erst einmal ab, bevor sie ihre Häuser wieder betreten wollten.
Letztes Beben im Jahr 2023 mit 50.000 Toten
Fast die gesamte Türkei, mit wenigen Ausnahmen an der Schwarzmeer Küste, ist Erdbebengefahrengebiet. Erst vor zwei Jahren im Februar 2023 hatte es im Südosten des Landes entlang der Grenze zu Syrien eines der gefürchteten Jahrhundertbeben gegeben. Von Antakya im Süden bis Adıyaman weiter östlich richtete das Beben eine enorme Verwüstung an, rund 50.000 Menschen starben.
Das letzte große Beben im Marmara-Gebiet fand 1999 statt. Damals bebte die Erde mit einer Stärke von 7,5 am östlichen Ende des Marmarameeres bei İzmit/Gölcük und zerstörte die halbe Region, das industrielle Herzstück der Türkei. Seitdem gehen Geologen davon aus, dass der Bruchpunkt der Erdbebenlinie sich weiter nach Westen verlagern wird und die Bruchkante direkt vor Istanbul liegen könnte. Je größer das Teilstück ist, das bricht, umso schlimmer wird das Erdbeben sein.
Bei einem Beben über Stärke 7 dürften tausende Häuser in Istanbul zusammenbrechen, obwohl in den letzten Jahren viele gefährdete Häuser durch Neubauten ersetzt wurden. In etlichen ärmeren Vororten ist die Bausubstanz aber so schlecht, dass durch Nachbesserungen kaum etwas zu machen ist. Die Stadt konzentriert sich deshalb darauf, Schulen, Krankenhäuser und andere öffentliche Gebäude erdbebensicher zu machen.







