Der ukrainische Geheimdienst ließ wohl einen russischen General in Moskau töten: legitimer Tyrannenmord oder unnötige Ausweitung des Krieges?
A uf offener Straße wird ein russischer General in die Luft gesprengt. Mitten in Moskau. Der ukrainische Geheimdienst SBU reklamierte den Anschlag für sich. Unweigerlich steht die Frage im Raum, ob diese Eskalation des seit über 1.000 Tagen laufenden Kriegs angemessen ist?
Die Antwort liegt auf der Hand: Na klar. Wer der Ukraine das Recht auf Verteidigung nicht grundsätzlich absprechen will, muss ihr auch das Recht zubilligen, führende Militärs aus dem Leben zu bomben. Nicht nur, weil Moskau das umgekehrt auch macht. Sondern vor allem, weil es einer alten pazifistischen Utopie recht nahekommt: Lasst die Generäle und Präsidenten sich doch gegenseitig abschlachten, anstatt einfache Menschen an den Fronten zu verheizen. Das würde nicht unmittelbar zum Frieden auf Erden führen, wäre aber dem Rest der Menschheit ein Wohlgefallen.
Also lautet die Parole – auf zum Tyrannenmord? Nein, keineswegs, auch wenn es verlockend klingt. Denn zum einen ersetzen diktatorische Regime ihre gefallenen Generäle und Despoten schneller als der Haifisch seine ausgebissenen Zähne. Zumindest, wenn nicht, wie gerade in Syrien, gleich das ganze System gestürzt wird.
Zum anderen – und das wiegt weitaus schwerer – ist und bleibt jeder Mord, auch der eines hochrangigen Soldaten, ein Verstoß gegen humanistische Moral. Die Todesstrafe, ob mit oder ohne Gerichtsprozess, bleibt in jedem Fall unakzeptabel.
Ein Gesicht für den Krieg
Getötet aber werden in diesem Krieg Tag für Tag unzählige Menschen. Die Ermordung des Generals fällt nur besonders auf, weil die Welt nun sein Gesicht kennt. Das Gesicht eines Täters, der zugleich auch Opfer geworden ist.
Das grundlegende Dilemma ist der Krieg, der die Tötung Einzelner für erträglich oder gar angebracht erscheinen lässt. Die Verantwortung für diesen Krieg trägt einzig und allein das Regime in Moskau. Die Verantwortung, die Ukraine in ihrem Recht auf Verteidigung zu unterstützen, gleichzeitig aber alles nur denkbare dafür in Erwägung zu ziehen, damit dieser Krieg beendet wird, tragen alle beteiligten Staaten.
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