Herrentag in Berlin: „Saufen kannste überall“

Berlin taz | Betrunkene Männer, die mit Bierkästen unterwegs sind – in vielen Gegenden Deutschlands wird so der Vatertag gefeiert. Mit bekannten Folgen. In Stuttgart zum Beispiel gab es am Vatertag 2024 dreimal so viele Alkoholunfälle wie an einem durchschnittlichen Tag in Baden-Württemberg. In Berlin hat es mal einen Bierkastenlauf um den Schlachtensee gegeben. Zwei Läufer mussten eine Kiste Bier um den See schleppen und die Biere austrinken. Das Rennen erfreute sich so großen Zulaufs, dass es von den Behörden irgendwann untersagt wurde.

Anruf bei der Polizeipressestelle: Wo findet heutzutage in Berlin der Vatertag statt? Von einem Bierkastenrennen wisse er nichts, sagt der Sprecher. Die Einsatzkräfte seien aber angehalten, öfter mal reinzuschauen in die großen Grünflächen in Treptow-Köpenick, Zehlendorf und Pankow. Ob alles in Ordnung sei. In der Regel gehe es um Männergruppen jüngeren und älteren Datums, die mit Boller­wagen in Erscheinung träten. Wenn Alkohol im Spiel ist, sei die Leitung manchmal sehr kurz. Die Polizei erwarte nicht unbedingt gewalttätige Auseinandersetzungen, aber es reiche ja, dass einer sturzbetrunken im Gebüsch liegt und vielleicht Hilfe braucht.

Die Suche nach dem Vatertag beginnt auf dem Oranienplatz. Ein einziger Mann mit Bierflasche auf einer Bank. Ob sie den Vatertag gesehen hätten? „No idea“, antwortet ein dänisches Pärchen amüsiert. Eine junge Frau mit Kopfhörern reagiert genervt. „Den würde ich überhaupt nicht suchen.“ Ein schwarz gekleideter Jüngling, belehrend: „Erstens ist es noch zu früh zum Trinken, es sei denn, sie sind noch besoffen von gestern. Und zweitens musst du vor den Kneipen gucken.“

Vatertag ist Umzugstag

Tote Hose auch auf dem Mariannenplatz. Vor dem Bethanien steht ein Umzugsauto. Wenn überhaupt, ist der Vatertag ein Umzugstag, so viele Männer sieht man an diesem Tag Möbel zu Autos schleppen. „Vatertag? Kannst du vergessen“, sagt ein Mann mit weißen Schnauzbart und lacht. Ganz anders als der Muttertag, der werde auch in der Türkei gefeiert.

Vor einem Café in der Lübbener Straße. „In Kriegsgebieten, da wo die Väter und Söhne sterben“, antwortet ein etwa 40-jähriger türkischer Berliner. „Da, wo man hinguckt“, sagt ein Jüngerer mit Basecap.

Gegen 12 Uhr im Görlitzer Park. Polizisten haben am Toilettenhäuschen einen am Boden kauernden Schwarzen umringt. Spaziergänger und Jogger laufen vorbei. „Free Gaza“ und „der Görli bleibt auf“, steht auf dem Asphalt. Ein Mann auf einer Bank antwortet unwirsch. Vatertag? „Das ist doch keine offizielle Veranstaltung. Saufen kannste überall.“

Ein Kleinlaster der BSR rumpelt vorbei. Seit 5 Uhr morgens sind die Orangenen im Görli im Einsatz. Jetzt haben sie Feierabend. „Na, musste zugeben, ist schön sauber hier“, ruft der Fahrer gut gelaunt. Sein Tipp: „Hinten auf der Grillwiese kannste mal gucken.“ Die Einzigen dort sind sechs Portugiesen, die Hühnerschenkel brutzeln. Einer trinkt Bier, der Rest Wasser und Cola.

Im Treptower Park sind hinter Rhododendronbüschen Trommelklänge zu hören: Frauen und Männer aus Viet­nam musizieren tanzend im Kreis. Man ist schon geneigt, die Suche abzubrechen, als drei junge Männer mit Bierkästen auf den Schultern auftauchen. „Bei uns bist du richtig“, ruft einer fröhlich. Sein Eindruck sei aber auch, dass der Vatertag in Berlin nicht richtig gefeiert werde. Er komme vom Arendsee in der Altmark. „Da geht es immer richtig ab.“

  • informationsspiegel

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