Krieg in der Ukraine: Umstrittener Gesandter

D er US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff soll noch diese Woche mit dem iranischen Außenminister für neue Atomgespräche zusammenkommen. Wolodymyr Selenskyj hatte bereits vor einigen Wochen das Vergnügen mit ihm. Seit dem historischen Eklat im Weißen Haus bemüht sich Selenskyj um eine vorsichtige Rhetorik gegenüber Washington. Doch im Fall Witkoff zeigt er eine deutliche Abneigung, spricht von einem „Immobilienmakler“ und einem „Mann von einem anderen Planeten“, der viel Zeit mit Wladimir Putin verbracht habe und daher russische Narrative übernehme.

Selenskyjs Kritik an Witkoff ist begründet. Kein anderer aus Trumps direktem Umfeld pflegt so intensive Kontakte zum Kreml wie er. Seit Jahresbeginn traf er sich bereits zweimal mit Putin in Moskau. Diese langen Gespräche, begleitet von einer russischen Charmeoffensive, scheinen Eindruck bei ihm zu hinterlassen. Immer wieder fällt er durch wohlwollende Äußerungen über Russland und den Kremlchef auf.

Obwohl er keine ausgewiesene Expertise zur Ukraine besitzt, verbreitet Witkoff unkritisch umstrittene Interpretationen der jüngsten ukrainischen Geschichte. Die russische Aggression gegen die Ukraine relativiert er, während russische Kriegsverbrechen unerwähnt bleiben. Im Gespräch mit dem Moderator Tucker Carlson geht er noch weiter. Er beschreibt Putin als „Trumps Freund“ und betont, dass dieser kein schlechter Mensch sei, strategisch klug handle und keine Bedrohung für Europa darstelle.

In Moskau werden Witkoffs Äußerungen wohlwollend aufgenommen. Putins Pressesprecher Dmitri Peskow äußert die Hoffnung, dass die USA die russische Sichtweise auf den „Ukraine-Konflikt“ zunehmend nachvollziehen. Einige Publizisten spekulieren sogar, Putin habe Witkoff, der jüdische Wurzeln hat, von der Gefahr durch „ukrainische Nazis“ überzeugt.

Alexander Friedman

ist Historiker. Er lehrt Zeitgeschichte und Osteuropäische Geschichte an der Universität des Saarlandes und an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

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Ein nützlicher Idiot?

Der Politikwissenschaftler Sergei Markow, ein bekanntes Sprachrohr des Kremls, fabuliert sogar von Witkoff, dem „guten US-amerikanischen Juden“ mit Vorfahren aus dem Zarenreich – als Gegenpol zum früheren Außenminister Antony Blinken. Blinken, dessen Großvater aus Kiew stammte, wird hingegen als „böser Jude“ dargestellt, der mit seiner Unterstützung für die Ukraine eine vermeintliche Rache an Russland für die Judenpogrome des frühen 20. Jahrhunderts nehmen wollte.

Auch in der Ukraine wird Witkoffs jüdische Herkunft gelegentlich thematisiert – teils in antisemitischer Weise. Gleichzeitig befeuern seine grotesken Entgleisungen eine in der Ukraine ohnehin verbreitete Verschwörungstheorie über den angeblichen KGB-Agenten „Krasnow“. Hinter diesem Decknamen soll sich kein anderer als Trump verbergen. Er sei angeblich bereits 1987 vom KGB rekrutiert worden.

Hinzu kommen im postsowjetischen Raum verbreitete Vorstellungen über nai­ve und ungebildete US-Amerikaner*innen, die nun auf Witkoff projiziert werden. Manche Kri­ti­ke­r*in­nen in der Ukraine und in Europa halten den selbstbewussten, aber unerfahrenen Hobby­diplomaten Witkoff für ein Opfer raffinierter russischer Desinformation und damit für einen sogenannten „nützlichen Idioten“ des Kremls.

Doch ist Steve Witkoff tatsächlich Putins „nützlicher Idiot“? Der polemische Begriff wird häufig mit Wladimir Lenin und seinem schlagfertigen Mitstreiter Karl Radek in Verbindung gebracht. Im Kontext des Ost-West-Konflikts bezeichnete man als „nützliche Idioten“ vor allem Personen aus dem Westen, die sowjetische Propagandanarrative verbreiteten und sich für Moskaus Ziele instrumentalisieren ließen, ohne die wahren Absichten des Kremls zu erkennen.

Anbiederung aus taktischen Gründen

Bereits in den 1930er Jahren erzielte Moskau beachtliche Erfolge bei der Rekrutierung „nützlicher Idioten“ – eine Praxis, die nach 1945 fortgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Name des US-Amerikaners Walter Duranty. Duranty war Korrespondent der New York Times in Stalins Moskau und veröffentlichte Artikel und Bücher, in denen er die brutalen Methoden der bolschewistischen Diktatur verharmlost und auf die Tradition des „asiatischen Despotismus“ zurückgeführt hat.

Die Berichte über die erschreckende Hungersnot in der Ukraine in den frühen 1930er Jahren tat der Pulitzerpreis-Träger Duranty zum Beispiel als übertrieben ab. Seine These aus dem Jahr 1931, „das heutige Russland kann nicht nach westlichen Maßstäben beurteilt oder in westlichen Begriffen interpretiert werden“, bleibt bis heute ein Grundprinzip von „Russland-Verstehern“ jeglicher Couleur.

Obwohl Duranty das stalinistische Regime eher wohlwollend behandelte, gibt es keine Belege dafür, dass er im Auftrag des Kremls agierte. Seine Sympathie für die kommunistische Ideologie bleibt fragwürdig. Die bolschewistische Führung hielt ihn zwar für einen „nützlichen Idioten“, doch vielmehr war Duranty ein geschickter und prinzipienloser Opportunist.

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Er verstand die Situation in der UdSSR und die stalinistische Herrschaftslogik, suchte aber bewusst die Nähe zur Moskauer Führung, um sich Zugang zu exklusiven Informationen zu sichern und seine Karriere voranzutreiben. Von diesem perfiden Win-win-Spiel profitierten sowohl der Kreml als auch der US-Journalist. Ähnlich scheint auch Witkoff zu handeln. Während Moskau ihn für einen „nützlichen Idio­ten“ hält, ist kaum anzunehmen, dass ihm Putins wahre Absichten in der Ukraine verborgen bleiben.

Obschon ihm der Kremlchef tatsächlich sympathisch erscheinen mag, hat seine Anbiederung vor allem taktische Gründe. Witkoff hofft, sich als Mittler in der Deals-Politik der Trump-Administration zu profilieren und das Vertrauen seines Chefs zu stärken. Trump selbst – so berichten Insider – ist von Putin beeindruckt. Und so sagt Witkoff genau das, was der US-Präsident hören möchte. Sollte sich Trumps Haltung ändern, würde er seine Meinung entsprechend anpassen. Steve Witkoff ist vor allem ein zynischer ­Opportunist.

  • informationsspiegel

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