Luxussport Tennis: Asche für die Noblesse

München taz | Erster Eindruck: Man trägt jetzt Anzug und Krawatte. Zumindest wenn man hier im Bereich Security und Platzanweisung arbeitet. Und man nimmt es genau. Selbst wenn auf dem Platz schon wieder der DJ lärmen darf und das Spiel ziemlich offensichtlich unterbrochen ist, verweigert einem der Schlipsträger den Zutritt: „Erst wenn ich Anweisung von oben bekomme“, sagt er und zeigt auf seinen Knopf im Ohr. Per Handzeichen geht hier längst nix mehr, dafür ist der neue Center Court und überhaupt das ganze Turnier einfach zu groß geworden. Und damit willkommen bei den „BMW Open“, die in diesem Jahr erstmals als ATP-Turnier der Kategorie 500 gespielt werden!

Seit 1930 wird das Turnier, das früher noch Bavarian Tennis Championships hieß, auf der maximal dekorativen Anlage des MTTC Iphitos am nördlichen Ende des Englischen Gartens ausgetragen. Auch die Siegerliste sieht hübsch aus:­ Gott­fried von Cramm, Guillermo Vilas, Ivan Lendl, Michael Stich, Roger Federer, Tommy Haas, Andy Murray, Sascha Zverev.

Seit 1990 ein lokaler Sponsor einstieg, gibt es für den Sieger neben dem Preisgeld noch ein Gefährt dazu – und neuerdings eben 500 statt bislang nur 250 Weltranglistenpunkte. Klingt einfach, ist es aber nicht. Jahrelang hatte der als Veranstalter auftretende Iphitos-Vorstand um diesen Aufstieg vom 250er- zum 500er-Turnier gekämpft, dabei so einige Hand- und Kopfstände fabrizieren müssen, letztlich aber doch den Zuschlag bekommen, allerdings unter Auflagen.

Um nämlich dem neuen Geschäftsmodell des Welttennisverbandes ATP gerecht zu werden – Ausdünnung der unrentablen 250er-Turniere –, muss nun auf der Klubanlage ein neuer Center Court für mindestens 7.000 Zuschauer entstehen, samt Dach, sodass auch bei Regen weitergespielt werden kann. Nur so ist ein durchgehendes Fernsehbild möglich. Die Daten des bisherigen Center Courts: 3.000 Plätze, kein Dach, Ausbau platzbedingt unmöglich.

Imposantes Setting

Wer sich die Dimension eines 7.000 Zuschauer fassenden Center Courts auf einer handelsüblichen Vereinsanlage nicht vorstellen kann, der bekommt nun schon mal einen Vorgeschmack auf Kommendes. 14 Meter hoch sind die Stahlrohrtribünen, die nun für den temporär errichteten Center Court errichtet wurden. Wo sonst die Vereinsspieler auf vier Plätzen zwirbeln und schnibbeln, stehen jetzt ein Tennisplatz, sehr viele Tribünen, eine etwas überdimensionierte Anzeigetafel und darunter der zu gewinnende Pkw. Ein imposantes Setting, zudem wenn ringsum im Englischen Garten die Knospen im schönsten Frühlingsgrün nur so sprießen. Und: Nur wenige Tage nach dem letzten Matchball des Turniers wird hier alles wieder wie zuvor aussehen.

Aber da die ATP immer auf Sendung sein will, muss ein permanentes Stadion samt Dach her. Nur: wohin damit? Die Iphitos-Anlage ist zwar groß, aber ein wesentlicher Bestandteil dieses zu den „Leading Tennis Clubs of Germany“ gehörenden Vereins ist das schöne Klubhaus samt Terrasse und opulentem Ausblick gen Süden. Da würde sich ein lediglich während einer von 52 Wochen im Jahr benötigtes Stadionungetüm nicht so gut machen. Zwar versichert Klub-Präsident Fabian Tross „Wir bauen da keinen Palast hin“, aber groß wird das Ding halt schon.

Und so fielen den Planern die fünf Tennisplätze eines an den Iphitos grenzenden Vereins ins Blickfeld: die des SV Studentenstadt. Für 50 Euro Jahresbeitrag spielen Studierende der benachbarten Studentenstadt seit Jahr und Tag hier Tennis, doch damit ist es bald vorbei. Spätestens 2028 soll hier der neue Center Court stehen, die nötigen 25 bis 30 Millionen Euro kommen zu 50 Prozent vom Freistaat und zu 30 Prozent von der Stadt, 20 Prozent muss der Iphitos beisteuern.

Mittlerweile habe man sich laut Iphitos-Präsident Tross mit der Studentenstadt dahingehend geeinigt, dass die Studenten ihre Plätze zur Verfügung stellen und dafür zum gewohnten Mitgliedsbeitrag beim Iphitos spielen können – wo sie sonst 20-mal so viel zahlen müssten.

Anfang Mai geht das von Tennisfreund Markus Söder und vom Stadtrat längst abgesegnete Großprojekt in die öffentliche Beteiligung – Bezirksausschuss, Bürgerversammlung – und erst dann rollen die Bagger. Ein paar Fragen sind schon noch offen, zum Beispiel die: Was werden die Platzanweiser erst im neuen Superstadion tragen? Frack, Smoking, langes Abendkleid?

Stay tuned.

  • informationsspiegel

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