Mark Zuckerbergs Chatbot-Pläne: Das Geschäft mit der Einsamkeit

M ein Leben verbringe ich im Homeoffice; ich schlafe auch dort. Durch die Wand höre ich meine Nachbarin ein Kommando zu ihrem Home-Assistant sprechen: „Licht an“. Auch sie ist allein.

Der Chef des Meta-Konzerns, Mark Zuckerberg, sagte kürzlich in einem Podcast, der durchschnittliche Amerikaner habe drei Freunde, aber ein Verlangen nach 15. Künstlich intelligente Chatbots sollen in die durchschnittlich 12 Freunde große Lücke springen.

Wird KI in der Zukunft die zwischenmenschliche Verbindung ganz ersetzten? „Probably no“, antwortete er, „eher nicht“. Eine physische Verbindung sei doch etwas Starkes. Aber die Menschen wollten eben noch mehr Verbindung, während sie wenig Zeit haben. Irritierend. Dabei verdient der Mann doch mit Whatsapp, Facebook und Instagram sein Geld, mit sogenannten sozialen Diensten, deren Sinn die leichtere Vernetzung miteinander ist.

Mark Zuckerberg, wie stellt Meta sicher, dass die Beziehungen, die Menschen bereits jetzt zu ihren KI-Chatbots haben, in Zukunft gesund gestaltet sind? Nach dem nächsten Entwicklungssprung, wenn mein Bot mich im Gespräch richtig kennenlernt und sich mir anpassen kann?

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Man hört ja schlimme Sachen. Dass Bots sich als ausgebildete Therapeuten ausgegeben haben. Dass die Bots Minderjährige in romantische Rollenspiele verwickeln. Oder dass eine Mutter gegen Google und Character.ai klagt, weil ihr Sohn sich erst in seinen Bot verliebte und sich dann das Leben nahm.

Unentdeckte Ölfelder

Die Einsamkeit liegt in den Herzen, wie unentdeckte Ölfelder vor der Küste Sibiriens. Man muss nur noch hingehen und sie ausbeuten. Das Problem, das der Tech-Konzern Meta mitverursacht hat, will Zuckerberg durch eine Scheinlösung wirtschaftlich nutzen. Ein Risiko für die psychische Gesundheit wird zur Wachstumschance umgedeutet. Ak­tio­nä­r*in­nen brauchen das, eine starke Vision, wie Zukunftstechnologien im Geschäftsmodell integriert werden. Einsame Menschen nicht.

Wo Zuckerberg die Zahlen richtig gedeutet hat: Wir brauchen mehr freie Zeit, um uns überhaupt gleichzeitig miteinander beschäftigen zu können. Solange kein akuter Notfall besteht, vergehen Wochen, manchmal Monate, bis ich einer wertgeschätzten Person gegenüber sitze. Wir brauchen aber auch dritte Orte, um einander begegnen zu können, ohne Geld ausgeben zu müssen. Genug Kraft, überhaupt etwas unternehmen zu wollen oder miteinander zu sprechen. Vertrauen darauf, dass noch Interesse und Wohlwollen füreinander übrig ist.

Ein Facebook-Freund ist ein Fremder, der für einen Augenblick ganz sympathisch wirkte. Oder schlimmer, jemand, dem man die Facebook-Freundschaft anbot, um die eigene Telefonnummer nicht hergeben zu müssen. Facebook ist jetzt 20 Jahre alt. Es versprach 2009, dabei zu helfen, „mit den Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten“.

Dass der durchschnittliche Amerikaner jetzt immer noch zu wenig Freunde hat, zeigt, dass das Sammeln von Facebook-Freunden nichts zur Erfüllung seiner sozialen Bedürfnisse beigetragen hat. Es entstanden eben keine bedeutungsvollen Verbindungen.

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Eine gute Scheinlösung für Einsamkeit hält die Menschen beschäftigt, sodass sie ihr Begehren nach guter Gesellschaft vergessen

Statt Freunden hatten wir Kontakte. Jetzt sollen virtuelle Dienstleistungsbots mit den Kontakten in Konkurrenz treten. Aber auch KI wird auf der Plattform nicht schaffen, was schon mit echten Menschen nicht geklappt hat.

Bots für alle Lebenslagen

Aber das muss auch gar nicht die Absicht sein. Eine gute Scheinlösung für Einsamkeit hält die Menschen beschäftigt, sodass sie ihr Begehren nach guter Gesellschaft für heute vergessen.

Die Zeit und die Kraft, die wir für menschliche Zuwendung hätten, würde weiter schrumpfen, während wir mit unserem personalisierten Organisationsbot alles besprechen, was diese Woche anliegt. Vielleicht holen wir uns Hilfe für psychische Probleme vom Therapiebot, um dann zu einem der Girlfriendbots umzuschalten. Die aus den Gesprächen gewonnen Daten wären ideal, um den Werbeblock mit relevanten Inhalten zu bespielen.

Meine Bots werden mich nie ghosten, sie werden – nach der Abschaffung von Factchecking durch Meta – auch zuverlässigere Auskunft geben als Menschen. Denn die Bots haben keine Agenda. Sie sind total neutral. Angeblich.

  • informationsspiegel

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