Medien und Demokratie: Warum Journalismus mehr Rückgrat benötigt

R esilienz gehört aktuell zu den Modebegriffen im politischen Berlin: Von einer „resilienten Informationsgesellschaft“ ist zuweilen die Rede, wenn Politiker meinen, dass die Menschen gerade in unübersichtlichen Zeiten Halt, Hoffnung und Orientierung brauchen, um die zahllosen Krisen zu überstehen.

Guter Journalismus trägt ganz entscheidend dazu bei, dass wir trotz der wachsenden Dominanz sozialer Medien und künstlicher Intelligenz nicht vollends den Durchblick verlieren und weiterhin fundierte Entscheidungen treffen.

Doch wird der Beruf derzeit von vielen Seiten bedroht: Wackelnde Geschäftsmodelle, allgegenwärtige Desinformation, soziale Polarisierung und ein Überforderungsgefühl angesichts der Weltkrisen sind keine Kinkerlitzchen, sondern betreffen auch viele Journalisten beruflich und privat. Auch wenn das Internet ursprünglich als Fortschrittsmedium gedacht war – globale Vernetzung, bessere Teilhabe für Benachteiligte, mehr Zugang zu Bildung und neue Ausformungen einer „redaktionellen Gesellschaft“ –, nimmt derzeit offenkundig das Negative überhand.

Der berühmte Informatiker Joseph Weizenbaum hatte zu Beginn des Jahrtausends gewarnt: Jedes Massenmedium „erbt und erhält seinen Wert von der Gesellschaft, in die es eingebettet ist“.

Gastbeitrag

Die Medienwissenschaftler Leif Kramp und Stephan Weichert sind Gründer des gemeinnützigen Think & Do Tanks Vocer

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Auch heute hat seine These mit Blick auf die USA Aktualität: Dort versuchen US-Präsident Donald Trump und seine Leute, Journalisten nach allen Regeln der Kunst mundtot zu machen.

„Längst hinter uns her“

Erst letzte Woche hatte Arthur G. Sulzberger, Verleger der New York Times, einer der mächtigsten Qualitätszeitungen der Welt, dem Stern anvertraut: Trump sei „längst hinter uns her“, er habe den Verlag mehrfach verklagt, seine Reporter aus dem Pentagon entfernen lassen und alle Regierungsabonnements für die renommierte Zeitung gekündigt. „Wir stehen unter dem stärksten Druck seit Generationen“, so Sulzberger.

Um es in Deutschland gar nicht erst zu US-amerikanischen Verhältnissen kommen zu lassen, hat sich der Think & Do Tank Vocer unmittelbar vor der Bundestagswahl mit vielen anderen Vertretern aus Medien, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammengetan, um zu ergründen, was fehlt, um das Fundament des Journalismus zu stärken und ihn resilienter machen zu können.

Damit diejenigen, die täglich professionell berichten sollen, möglichst nicht ertrinken im Chaos aus Propaganda und tendenziösem Kampagnenjournalismus à la Bild-Zeitung oder dem Online­medium Nius. Die Erosion demokratierelevanter Berichterstattung ist besonders dem Journalismus im Lokalen anzumerken: Viele Regionen sind längst unterversorgt, es drohen „Nachrichtenwüsten“.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

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Es schwächeln nicht nur die etablierten Lokalzeitungen, auch neue journalistische Digitalangebote haben wenig Chancen.

Gerade die Erfahrungen aus der vergangenen Legislaturperiode haben gezeigt, dass die Ampel viel versprochen, aber nicht wirklich Nennenswertes zustande gebracht hat, um den unabhängigen Journalismus zu unterstützen.

Ob Anerkennung von Gemeinnützigkeit, Start-up-Förderung oder Probleme bei der Zeitungszustellung – sämtliche Vorhaben, wenn es sie denn gab, sind mehr oder weniger versandet. Das Vocer-Institut hat im Rahmen eines „Policy Papers“ einen ganzen Katalog an Forderungen mit konkreten Zielsetzungen und Meilensteinen vorgelegt, um das zu ändern.

Die fünf zentralen Forderungen an die neue, von CDU, CSU und SPD-geführte Bundesregierung lauten: Gemeinnützigkeit: Die Abgabenordnung muss Journalismus als gemeinnützig anerkennen, um finanzielle Stabilität unabhängig von Einzelfallentscheidungen der Finanzbehörden zu sichern.

Fünf zentrale Forderungen

KI-Resilienz: Kennzeichnungspflicht für KI-Inhalte und strengere Regeln für Algorithmen sind nötig, um die Desinformationskaskaden zu durchbrechen.

Lokaljournalismus: Innovationsfonds für Gründungen sollten gezielt den Lokaljournalismus stärken und drohende Nachrichtenwüsten verhindern.

Alternative Plattformen: Gemeinwohlorientierte soziale Netzwerke sollten aktiv gefördert werden, um die Big-Tech-Hegemonie weniger US-Konzerne einzudämmen.

Weiterbildung: Strukturelle Förderung unabhängiger Weiterbildungsinitiativen stärkt journalistische Resilienz auf Bundes- und Landesebene.

Der deutsche Journalismus steht derzeit vor der schwierigsten Herausforderung der Nachkriegsgeschichte: Seine professionelle Identität ist in Gefahr und seine wirtschaftlichen Grundlagen sind im Umbruch. Wir sind davon überzeugt, dass Politik, Zivilgesellschaft und Medien in dieser Legislaturperiode stärker an einem Strang ziehen müssen, um innovative Lösungen zu entwickeln.

Die neue Bundesregierung wäre daher klug beraten, die Medienkrise zur Priorität zu erklären und ihre darauf bezogenen Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag – etwa gemeinnützigen Journalismus rechtlich abzusichern – zügig in die Tat umzusetzen.

Es braucht einen klugen medienpolitischen Rahmen – für mehr Experimentierräume, digitale Innovationscluster und eine kluge Bündelung, aber auch eine gerechte Verteilung von Fördermitteln, um die Grundlagen unserer Demokratie zu sichern. Für einen „resilienten Journalismus“ brauchen wir Strukturreformen statt Symbolpolitik!

  • informationsspiegel

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