Migrationsdebatten: Fachkräfte rein

R echtspopulisten sind Ausländerfeinde – das ist eine ­Grundüberzeugung linker Feindbildpflege. Von den „Remigrations“-Phantasien in der AfD bis zu Trumps Beschuldigung illegaler Einwanderung für den Terroranschlag von New Orleans gibt es dafür auch reichlich Belege. Umso irritierender ist es, wenn Elon Musk und ­Donald Trump als Verteidiger der Zuwanderung auftreten.

Kur vor Weihnachten ernannte Trump den indischstämmigen Tech-Geschäftsmann Sriram Krishnan zu seinem zukünftigen KI-Berater. Als die rechte Publizistin Laura Loomer, angeblich Erfinderin von Trumps Märchen über haustieressende Haitianer, daraufhin gegen „Invasoren aus der Dritten Welt“ holzte, regte sich Elon Musk fürchterlich auf und die Sache eskalierte, bis Musk seinen Kritikern riet, sie sollten sich ficken gehen und er stehe bereit, Krieg zu führen.

Musk ist in Südafrika geboren, Krishnan in Indien, ebenso Musks zukünftiger Kollege Vivek Ramaswamy in der zukünftigen US-Regierungsbehörde „Department for Government Efficiency“. Sie alle sind globalisierte Tech-Überflieger, die entweder per Fachkräftevisum in die USA kamen oder sich mit damit eingereisten Migranten umgeben. MAGA-Patrioten muss es wie Verrat vorkommen, dass Trump sich nun auf die Seite dieser „Globalisten“ stellt: Das Fachkräftevisum H1-B sei eine sehr gute Sache, sagte der zukünftige US-Präsident der rechten New York Post; er nutze es in seinen eigenen Unternehmen natürlich auch.

Bricht damit das rechte Projekt unter seinen Widersprüchen zusammen, bevor Trump überhaupt ins Weiße Haus einzieht? Das wäre Wunschdenken. In Wahrheit gibt es keinen Widerspruch. Wer das nicht versteht, hat die „neue Rechte“ des 21. Jahrhunderts nicht begriffen.

Öffnung für Fachkräfte

Die Frage ist nicht: Zuwanderung, ja oder nein? Die Frage ist: kontrollierte oder unkontrollierte Zuwanderung? Die Rechte wirft der Linken vor, letztere zu betreiben – mit Flüchtlingsrettung und großzügigem Bleiberecht. Die Linke wirft der Rechten vor, gar keine Zuwanderung zu wollen. In Wahrheit wollen natürlich auch Rechte Zuwanderung – nur eben kontrolliert und selektiv: Die Aufnahmeländer suchen sich aus, wer kommen darf.

Beim Brexit-Referendum in Großbritannien stritten die Brexit-Befürworter nicht, wie oft irreführend dargestellt, für ein Ende der Zuwanderung. Sie stritten für ein Ende der unkontrollierten Zuwanderung. Daher wollten sie raus aus der EU, in der die Personenfreizügigkeit gilt.

„Take Back Control“ lautete Boris Johnsons Parole: Die Kontrolle zurückholen. Ein Punktesystem nach australischem Vorbild war sein Versprechen. Als er 2019 Premierminister wurde und 2020 der Brexit in Kraft trat, lockerte Johnson, ehemals Bürgermeister der Weltstadt London, die Zuwanderungsregeln: Hürden für Arbeitsvisa wurden gesenkt, neue Kategorien wurden eingeführt. Die Nettozuwanderung nach Großbritannien hat sich seit dem Brexit verdreifacht.

Die Öffnung für Fachkräfte aus aller Welt ist zentrales Projekt der rechten Techies von Silicon Valley bis London. Johnsons Nachfolger Rishi Sunak, ebenfalls indischstämmig, lud 2023 Elon Musk zum globalen KI-Gipfel nach London. Der neue Trump-Berater Krishnan brachte jetzt Musk mit Boris Johnson zusammen. Die anglo-amerikanische Achse der rechten Globalisierer steht.

Grenzschließer wie Nigel Farage und die MAGA-Patrioten mit ihrem Gefasel vom „Bevölkerungsaustausch“ fokussieren sich derweil auf illegal einreisende Flüchtlinge, die nur wenige Prozent der Gesamtzahl der Migranten ausmachen. Denn kontrollierte Zuwanderung funktioniert nur, wenn unkontrollierte Zuwanderung rigoros unterbunden wird. Brutale Flüchtlingsabwehr steht nicht im Widerspruch zu hoher kontrollierter Zuwanderung, sie ist deren notwendige Kehrseite.

Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. In Großbritannien zeigt sich bereits: Kontrollierte Zuwanderung verträgt sich nicht mit Deregulierung. Wenn niemand prüft, ob die Studierenden wirklich studieren, ob die Pflegekräfte wirklich pflegen, ob Eingereiste nach Auslaufen ihrer Visa wieder ausreisen – dann ist nichts unter Kontrolle. Darauf macht mit steigendem Erfolg Nigel Farage aufmerksam, und auch die neue Labour-Regierung kritisiert die konservative Migrationspolitik als zu großzügig. Der Musk-Streit in den USA ist ein Vorzeichen ähnlicher Debatten dort.

Die angelsächsische Rechte steht für kontrollierte legale Migration gekoppelt mit rigoroser Abschottung gegen Illegale. In der EU betreiben Orbán, Meloni und Macron das ebenfalls, und im deutschen Wahlkampf sind sich auch schon fast alle einig: Ausländer, die nützlich und brav und fleißig sind, sind willkommen, die anderen nicht.

Als Elon Musk vor einer Woche in der Welt am Sonntag zur Wahl der AfD aufrief, behauptete er, „die AfD setzt sich für eine kontrollierte Einwanderungspolitik ein, die der Integration und dem Erhalt der deutschen Kultur und der Sicherheit Vorrang einräumt“. Er hätte besser „die CDU“ oder „die SPD“ schreiben sollen. Das hätte dem deutschen Winterwahlkampf richtig Feuer gegeben. Und es wäre sachlich korrekt.

  • informationsspiegel

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