

Was ist geplant?
Über drei Hebel wird die Schuldenaufnahme ausgeweitet: Für Verteidigung wie auch für Zivilschutz, Nachrichtendienste und Militärhilfe für die Ukraine wird die Schuldenbremse gelockert. Aus neuen Schulden kann der Bund zudem einen Ausgabentopf von bis zu 500 Milliarden Euro für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz auflegen. Legt man Verteidigungsausgaben von bis zu drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) jährlich zugrunde, wird eine zusätzliche Neuverschuldung des Bundes von einer Billion Euro oder mehr ermöglicht. Zudem wird eine Nettoneuverschuldung der Länder ermöglicht.
Wer beschließt das Paket?
Auf die Grundzüge hatten sich Union und SPD gleich zu Beginn ihrer Sondierungen für eine künftige schwarz-rote Regierungskoalition verständigt. Allerdings muss dafür das Grundgesetz geändert werden. Für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit werden daher die Stimmen der Grünen benötigt. Auf das Finanzpaket in der jetzigen Fassung hatte sich eine Spitzenrunde von Union, SPD und Grünen am Freitag verständigt, nachdem die Grünen Änderungen durchgesetzt hatten. Der Bundestag soll das Paket am Dienstag noch in seiner alten Zusammensetzung beschließen. Im neuen Bundestag können AfD und Linke zusammen Zwei-Drittel-Mehrheiten verhindern. Der Bundesrat soll am 21. März zustimmen.
Was ist bei Verteidigung und Sicherheit geplant?
Die größte finanzielle Tragweite hat möglicherweise die Lockerung der Schuldenbremse für Ausgaben, die unter einen erweiterten Verteidigungsbegriff fallen. Zum einen gibt es dafür faktisch keine Kreditobergrenze mehr – und zum anderen verschafft sich Schwarz-Rot im Kernhaushalt zusätzlich Spielraum von annähernd 20 Milliarden Euro zur Finanzierung anderer Ausgaben.
Demnach fallen „Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten“ ab einer Höhe von mehr als einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht unter die Schuldenbremse. Ein Prozent des BIP entsprach 2024 rund 43 Milliarden Euro. Darunter fällt auch die Militärhilfe an die Ukraine, die für 2025 mit vier Milliarden Euro geplant ist und zu der wohl demnächst weitere drei Milliarden Euro hinzukommen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte jüngst gesagt, man rede über einen Verteidigungsaufwand von eher drei als zwei Prozent des BIP jährlich. Allein das wären auf Grundlage des BIP 2024 etwa 129 Milliarden Euro pro Jahr.
Für 2025 verschafft sich Schwarz-Rot damit im Haushalt zusätzlichen Spielraum von 18,76 Milliarden Euro, wie sich aus einer Zusammenstellung der Haushaltsansätze durch den FDP-Haushälter Otto Fricke ergibt. Bis 2028 betrüge der Spielraum insgesamt 67,43 Milliarden Euro, wenn jährlich sieben Milliarden Euro als Ukraine-Militärhilfe angenommen werden.
Wozu ein Sondervermögen?
In einem neuen Artikel 143h des Grundgesetzes soll es künftig heißen: „Der Bund kann ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 mit einem Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro errichten.“ Zudem wird im Grundgesetz festgehalten, dass die dafür erforderlichen Kredite nicht unter die Schuldenbremse fallen. Das Sondervermögen soll für einen Zeitraum von zwölf Jahren gelten.
Die Grünen setzten in den Verhandlungen die „Zusätzlichkeit“ der Investitionen durch – und dass das Geld auch für Klimaschutz verwendet werden soll. Aus dem Topf werden 100 Milliarden Euro dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zugeführt, 100 Milliarden Euro stehen den Ländern für Investitionen in deren Infrastruktur zu. Wofür das Geld vom Bund aber ganz konkret ausgegeben wird, entscheidet der neugewählte Bundestag erst mit dem jeweiligen Bundeshaushalt. Dafür reicht dann etwa die Mehrheit von Union und SPD.
Voraussetzung für den Abruf der Kredite ist eine „angemessene Investitionsquote“ im Bundeshaushalt, die mindestens zehn Prozent des Gesamtetats betragen soll. Das wären für 2025 auf Grundlage der vorläufigen Etatplanung knapp 49 Milliarden Euro. Sondervermögen und finanzielle Transaktionen werden dabei nicht mitgezählt.
Was ändert sich für die Länder?
Auch für die Länder gibt es künftig die Möglichkeit der strukturellen Neuverschuldung, und zwar in gleicher Höhe wie laut Schuldenbremse für den Bund. Alle Länder zusammen dürfen neue Schulden in Höhe von bis zu 0,35 Prozent des BIP machen. Das entspricht derzeit etwa einer Summe von 15 Milliarden Euro. Die Aufteilung der jeweils zulässigen Kreditaufnahme auf die Länder soll ein Bundesgesetz regeln.
Die Neuregelung für die Länder ist aber noch mit vielen Fragen versehen. „Dies scheint mir – vorsichtig formuliert – alles noch nicht recht abgestimmt zu sein“, schreibt der Rechtsprofessor Henning Tappe bei „verfassungsblog.de“. Er hält es für rechtlich möglich, dass mit der Grundgesetzänderung direkt auch Landesrecht etwa in deren Verfassungen aufgehoben wird, das andernfalls eine höhere Schuldenaufnahme verhindern würde. „Gleichwohl ist nicht wirklich klar, was hier wann außer Kraft tritt“, schreibt Tappe. Auch die Verteilung des Kreditspielraums auf die Länder werfe noch viele Fragen auf.
Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag, er könne nachvollziehen, dass der Bund die Änderung der Schuldenbremse in den Ländern möglichst einheitlich vollziehen wolle. „Zum Teil wäre eine Änderung in manchen Bundesländern sonst mit erheblichem Aufwand oder schwierigen politischen Gesprächen verbunden“, sagte der Grünen-Politiker. „Es bleibt trotzdem ein starker Eingriff in unseren Föderalismus.“
Die Grundgesetzänderung mit der gleichzeitigen Aufhebung von Landesrecht ist wichtig, weil es in vielen Ländern keine Mehrheiten für eine Lockerung der Schuldenbremse gibt. Laut einer Übersicht des Münchener Ifo-Instituts können nur Berlin, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und das Saarland ihre Schuldenbremsen per Gesetz mit einfachen Mehrheiten lockern.