Nachfolge von Ministerpräsident Weil: Das schöne Märchen vom Prinz Charles von der Leine

J edes Paar braucht einen Gründungsmythos. Das gilt auch für das Duo aus Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), immerhin hält ihre politische Kollaboration schon länger als die meisten Ehen.

Ihr Gründungsmythos geht ungefähr so: Als die SPD 2012 einen Spitzenkandidaten suchte, der gegen den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten David McAllister antreten sollte, traten Olaf Lies, damals Parteivorsitzender, und Stephan Weil, damals Oberbürgermeister von Hannover, in einem Mitgliederentscheid gegeneinander an.

Man habe sich – so wird die Geschichte immer wieder kolportiert – tief in die Augen gesehen und gesagt: „Möge der bessere Mann gewinnen.“ Der Unterlegene sollte dem anderen fortan getreulich sekundieren, das habe man sich „in die Hand versprochen“. Wie man das halt so macht in Niedersachsen.

Den Mitgliederentscheid gewann bekanntlich Weil, der zwar ein bisschen graugesichtig wirkte, aber in der Partei optimal vernetzt war. Lies überließ Weil dann auch noch den Parteivorsitz, obwohl er eigentlich als der charismatischere und rhetorisch gewieftere von beiden galt.

Händeschüttler, Umarmer und Charmebolzen

Und er stellte seine Fähigkeiten als notorischer Händeschüttler, Umarmer und Charmebolzen dann tatsächlich rigoros in Weils Dienste, was angesichts der Halbwertszeit die Versprechen in der Politik sonst so haben, schon einigermaßen erstaunlich ist.

Der Haken daran ist, dass er sich nun schon 13 Jahre lang als Kronprinz handeln lassen muss. Das ist natürlich total unfair, weil er in der Zwischenzeit in den drei Kabinetten Weils Wirtschaftsminister, Umweltminister und wieder Wirtschaftsminister war und bestimmt einige andere Dinge getan hat, als zu warten.

Aber wer interessiert sich schon für die echte, politische Arbeit in ihrer ganzen mühseligen Kleinteiligkeit, für dieses zähe Dicke-Bretter-Gebohre, für all die runden Tische und Absichtserklärungen, für Förderprogramme und Grundsteinlegungen.

Da fragt man doch lieber: „Wird er denn nun noch mal Ministerpräsident oder nicht?“ Von wegen „It’s the economy, stupid“ – am Ende ist es immer das Pferderennen. Jedenfalls, wenn es nach Journalisten und ihren Lesern, Zuhörern und Zuschauern geht. Ja bitte, tun Sie doch nicht so, Sie haben ja auch bis hierher gelesen.

Dies Jahr soll es endlich so weit sein

Jetzt, jetzt endlich, soll es aber so weit sein, glaubt die Hannoversche Allgemeine Zeitung herausgefunden zu haben. Noch in diesem Jahr soll Lies erst den Parteivorsitz und dann die Staatskanzlei erben, um dann im Landtagswahlkampf eine realistische Chance gegen den CDU-Herausforderer Sebastian Lechner zu haben. Der prompt schon einmal vorgezogene Neuwahlen fordert.

Das ist natürlich mutig, sich so auf ein Datum festzulegen. Bisher war das ja so wie mit der Prophezeiung des Weltuntergangs durch die Zeugen Jehovas: Irgendwann kommt er bestimmt, aber jedes Mal, wenn sie dachten, es ist so weit, blieb er aus.

Aber egal wie lange die Anwärterschaft noch dauert, im Vergleich zu Prinz Charles hat Lies ganz sicher einen Vorteil: Er sieht viel besser aus.

  • informationsspiegel

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