Nächtlicher Naziangriff in Jamel: Festival-Betreiber mit rechten Parolen bedroht

Berlin taz | In der Silvesternacht griffen mutmaßliche Neonazis das Wohnhaus von Birgit und Horst Lohmeyer im mecklenburgischen Jamel an. Das Ehepaar engagiert sich gegen Rechtsextremismus in dem Dorf, das als Neonazi-Hochburg gilt, und organisiert dort jährlich ein antifaschistisches Musikfestival. Die Lohmeyers wurden schon mehrmals von Rechtsextremen bedroht, 2015 brannte nach einem Brandanschlag ihre Scheune ab.

Mehrere vermummte Männer und Jugendliche drangen auf das Grundstück der De­mo­kra­tie­ak­ti­vis­t*in­nen ein, berichtete Birgit Lohmeyer der taz. Die Angreifer hätten zunächst das Wohnhaus mit Feuerwerkskörpern und Raketen beworfen. Aus dem Dorf hätten dazu Männer mehrfach „Sieg heil, ihr Fotzen“ gerufen. Als die Lohmeyers die Angreifer zur Rede stellen wollten, warfen diese auch Feuerwerkskörper auf das Ehepaar.

Die Lohmeyers alarmierten die Polizei, die mit mehreren Fahrzeugen im Dorf eintraf. Die Angreifer zogen sich zurück, setzten ihren Angriff jedoch fort, nachdem die Polizei abgefahren war. Obwohl die Lohmeyers die Polizei erneut informierten, kehrte sie nicht zurück.

Am Telefon habe ein Beamter dem Ehepaar lediglich geraten, sich ins Haus zu begeben und abzuschließen. Da die Täter vermummt waren, haben die Lohmeyers wenig Hoffnung auf Ermittlungserfolge. Für Birgit Lohmeyer bleibe daher die Frage, wer das Ehepaar vor diesen Fa­schis­t*in­nen schützen könne: „Das nächste Mal sind es vielleicht scharfe Waffen und nicht nur Schreckschusspistolen und Böller.“

Die Polizeidirektion Wismar nahm die Ermittlungen auf. Ihr Pressesprecher Florian Müller sagte der taz, die Beamten seien im engen Austausch mit den Lohmeyers. Es gebe allerdings noch keine weiteren Erkenntnisse und keine Tatverdächtigen, die Ermittlungen stünden noch am Anfang. Da der Angriff in der Silvesternacht stattfand, sei die Polizei auch anderweitig besonders ausgelastet gewesen. Nachdem die Sofortmaßnahmen erschöpft waren, seien die Kollegen wieder abgerückt. Für dauerhafte Schutzmaßnahmen fehlten der Polizei zudem oft die Kompetenzen und die Kapazitäten.

Demokratisches Engagement in der Nazihochburg

In dem kleinen Ort Jamel mit ungefähr 40 Ein­woh­ne­r*in­nen leben fast nur Rechtsextreme. Der bekannte Neonazi Sven Krüger wuchs hier auf und kaufte gezielt Immobilien im Dorf auf, um seinesgleichen anzusiedeln. Frühere Dorfbewohner wurden systematisch durch Einschüchterung und Gewalt verdrängt.

Die Lohmeyers stellen sich offen gegen die Rechtsextremen im Ort. Die Autorin und der Musiker zogen vor 20 Jahren von Hamburg nach Jamel. Sie leben auf einem alten Forsthof und organisieren seit 2007 auf ihrem Gelände das Musikfestival „Jamel rockt den Förster“, das sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit richtet.

Für sein Engagement wurde das Ehepaar mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage 2011. Die Lohmeyers werden von den Dorf­be­woh­ne­r*in­nen immer wieder bedroht und angegriffen: Neonazis zerstochen ihre Autoreifen, legten eine tote Ratte in der Briefkasten, kippten Mist auf die Einfahrt und sagten ihnen, sie sollten ihren Hof verkaufen, „solange sie das noch können“.

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