Notlage in Gaza: Kein Krankenhaus mehr in Nordgaza

In Gaza sind in der vergangenen Woche vier Kleinkinder an Unterkühlung gestorben. Das meldet der US-amerikanische Nachrichtensender CNN. Mahmoud al-Faseen, der Vater der dreijährigen Sila, sagte der Nachrichtenagentur AP, er habe vergeblich versucht, sie in einer Decke warmzuhalten. Die Familie lebt unter einer Zeltplane.

Nachts wird es derzeit 9 Grad kalt, 90 Prozent der Menschen in Gaza sind laut den Vereinten Nationen Vertriebene. Es mangelt an Unterkünften, viele schlafen in Zelten oder unter freiem Himmel. „Die Kälte macht es fast unmöglich zu schlafen“, sagt Omar, ein Vertriebener im Nuseirat-Geflüchtetencamp in Gaza, dem UN-Hilfswerk ­UNRWA. Lieferungen von Decken oder Matratzen seien seit Monaten durch fehlende Genehmigungen Israels blockiert, meldet UNRWA. Israelische Behörden blockierten weiter die meisten Hilfseinsätze, sagte auch das UN-Amt für Nothilfe OCHA am Donnerstag.

Täglich gibt es Berichte über getötete und verletzte Zi­vi­lis­t*in­nen in Gaza. Am 26. Dezember töteten israelische Soldaten fünf Journalisten in Gaza durch einen direkten Luftangriff auf ihr Auto. Nach Angaben von Nachrichtenmedien trug das Fahrzeug sichtbare Presse-Kennzeichnungen. Am Samstag töteten israelische Angriffe mindestens 36 Menschen, zählt Al-Jazeera. In der Weihnachtswoche wurden bei Bombardierungen rund um das Kamal-Adwan-Krankenhaus mindestens 50 Menschen getötet, darunter fünf Krankenhausangestellte, meldet die Weltgesundheitsorganisation WHO.

Israelische Soldaten hatten das Krankenhaus am Morgen des 27. Dezember gestürmt, angezündet und den Kran­kenhausdirektor entführt. Einige Bereiche sollen verbrannt und schwer beschädigt sein: das Labor, die chirurgische Abteilung, die Technik- und Wartungsabteilung, der Operationssaal und das medizinische Lager.

Zwölf Patienten und eine Mitarbeiterin seien in das fast komplett zerstörte zweitgrößte Krankenhaus in Nordgaza, das Indonesian Hospital, evakuiert worden, wo sie allerdings nicht mehr versorgt werden könnten, schreibt die WHO. Der größte Teil des Personals und stabilere ­Pa­ti­en­t*in­nen seien an einen nahe gelegenen Ort gebracht worden. Es gebe nun keine medizinische Versorgung der Menschen in Nordgaza mehr.

Fast täglich Angriffe

Seit Anfang Oktober 2024 gab es fast täglich israelische Angriffe auf Krankenhäuser und medizinisches Personal in Nordgaza, so die WHO. Der Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses, Hussam Abu Safeia, wurde bei der Razzia des Militärs festgenommen. Ein Foto zeigt, wie er unbewaffnet zwischen Trümmern israelischen Panzern gegenübersteht, wohl kurz bevor die Soldaten ihn verschleppten. Die WHO hat den Kontakt zu ihm verloren. Einige Menschen wurden entkleidet und vom israelischen Militär gezwungen, in den Süden Gazas zu laufen, so die WHO.

Zwei Versuche, den belagerten Norden in Gaza zu erreichen, lehnten israelische Behörden am Mittwoch und Donnerstag ab, meldet die Nothilfe Ocha. Die WHO schreibt, die Krankenhäuser „sind erneut zu Schlachtfeldern geworden“. Das stehe dem humanitären Völkerrecht entgegen.

Die israelische Regierung und das Militär würden einen Völkermord in Gaza verantworten, sagen Völ­ker­rechts­ex­per­t*in­nen sowie Hilfsorganisationen seit Längerem, darunter die UNSonderberichterstatterin für die besetzten Gebiete Palästinas und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International. Israel weist die Vorwürfe stets zurück und rechtfertigt Angriffe auf zivile Infrastruktur damit, dass sich Terroristen dort versteckt halten würden.

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