Papst-Begräbnis: Franziskus – der Anti-Trump

M ehr Heuchelei geht nicht: US-Präsident Donald Trump und Ehefrau Melania sind zum Begräbnis des Papstes nach Rom geflogen. Trump und Papst Franziskus, zwei Männer, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten. Ziemlich beste Feinde, was Ihre Politik, ihr Auftreten, ihr ganzes Leben betrifft. Vor allem verkörpern sie gegensätzliche Pole, wohin diese Welt zu gehen hat. Der eine steht für Gemeinwohl und Geschwisterlichkeit, der andere für Profit, Macht und Ego. Franziskus klagte stets das Recht der Schwächeren ein, der Trumpismus setzt auf das Recht der Starken.

Jetzt begegnen sie sich. Franziskus liegt im Sarg, aber seine Haltung und seine Autorität sind noch omnipräsent. Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich am heutigen Samstag, dem Tag der Beisetzung, die anderen Staatenlenker in diesem Spannungsfeld verhalten: Auf welcher Seite stehen sie? Wird es ein Schaulaufen geben, bei dem Krokodilstränen am Sarg vergossen werden oder doch eine Übung in Nachdenklichkeit und Gewissensprüfung? Der argentinische Präsident Javier Milei, der den Papst einen „linken Hurensohn“ nannte, wird ebenfalls präsent sein und in vollendeter Maskerade ein trauriges Gesicht zeigen.



Bild: privat


Wolfgang Sachs

leitete lange das Berliner Büro des Wuppertal-Instituts. Er hatte das Privileg, Papst Franziskus im vergangenen Jahr persönlich zu begegnen.

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Der Widerstreit zwischen den beiden Lagern entfachte sich vor allem am Umgang mit Migranten. Von der Reise nach Lampedusa im Jahr 2013, als Franziskus die Situation mit dem Wort von der „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ beschrieb, bis zum Schreiben an die US-Bischöfe nach dem Amtsantritt vor Präsident Trump 2025, forderte Franziskus unentwegt, die Massenabschiebungen von Geflüchteten zu stoppen und ihre Menschenwürde zu schützen. Gestützt auf die alttestamentarische Erzählung vom Auszug Israels aus Ägypten und der Erfahrung seiner Großeltern, die bei der Überfahrt von Italien nach Argentinien nur knapp einem Schiffsunglück entronnen waren, beharrte Franziskus darauf, dass eine Willkommenskultur auch mit Opfern auf Seiten reicher Gesellschaften unausweichlich sei.

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Überhaupt weinte Franziskus der neoliberalen Globalisierung keine Träne nach, er verlangte eine solidarische Weltordnung. Während es in progressiven Zirkeln mittlerweile üblich ist, in Zeiten von Trump der guten alten Globalisierung nachzutrauern, bestand Franziskus auf einer Umgestaltung der Weltwirtschaftsordnung auf die Bedürfnisse der Mittellosen und armen Länder hin.

Bergoglio war ein Papst aus dem globalen Süden, das prägte seine Weltsicht. Schon als Student hatte er erlebt, wie sich ein Riss in der katholischen Kirche in Lateinamerika auftat. Es war die Klerikerkirche, die auf Seiten der Mächtigen stand – gegenüber einer Basiskirche, die sich für die Unterdrückten einsetzte. Für Bergoglio war die Sache klar: Die Kirche hat sich auf die Seite der Bedürftigen und Entrechteten zu schlagen. Als Papst richtete er 2013 mit seiner Anklage „diese Wirtschaft tötet“ den Bannstrahl gegen jede Art von Marktradikalismus. „Die Anbetung des antiken goldenen Kalbs hat eine neue und erbarmungslose Form gefunden im Fetischismus des Geldes und in der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel.“

Frommer Antikapitalist

Das waren Worte, die weltweit die Leitartikler der Wirtschaftspresse auf die Palme brachten und manche Bischöfe aus dem Tritt. In Anbetracht der damaligen Finanzkrise, die Millionen von Existenzen ruinierte und die armen Länder voll traf, kehrte der Papst seinen Charakter als ein frommer Antikapitalist heraus.

Einen Coup landete Franziskus vor zehn Jahren mit seiner Enzyklika Laudato si’. Er, der vor seinem Pontifikat kaum Ahnung von Ökologie hatte, schaffte es, Glauben mit Ökologie, Kirche mit Wissenschaft zusammenzubringen. Nachdem er mit der Losung „Machet euch die Erde untertan“ aufgeräumt hatte, stellte er die Geschwisterlichkeit alles Lebens in den Vordergrund. Franziskus hatte da keinen Zweifel: Die heutige Gesellschaft missachte die wechselseitige Verbundenheit aller Menschen und Lebewesen. Seine Devise: „Alles ist miteinander verwoben“. Es gebe kein Wohlergehen als Individuum, sondern nur in Gemeinschaft, sei es als Mensch, als Tier oder als Pflanze.

So sei der Wunsch nach Unabhängigkeit auf allen Stufen des Lebens nur eine mächtige Selbsttäuschung, in Wirklichkeit seien alle Lebewesen wechselseitig abhängig. Er machte die Scheuklappen des technologischen Paradigmas verantwortlich für die Blindheit der modernen Gesellschaft gegenüber der Interdependenz, ausgeblendet durch das Streben nach Egoismus, Macht und Profit. Der Papst reihte sich ein in die Protagonisten der öko-sozialen Transformation.

Er hat auch danach gehandelt. „Es ist keine Zeit mehr zu verlieren!“, mahnte er bei einem Treffen von Konzernbossen der Öl-und Gas-Giganten der Welt: „Wir haben die Erde als Garten unseres gemeinsamen Hauses erhalten, lasst es uns nicht als Wildnis an künftige Generationen weitergeben“. Er drängte darauf, dass die Unternehmen das Geschäftsfeld der fossilen Rohstoffe hinter sich lassen und stattdessen in erneuerbare Energien investieren. Überdies ließ er eine Solaranlage aufbauen für den Energiebedarf des gesamten Vatikanstaates. Das I-Tüpfelchen: Er ließ chauffieren mit einem elektrischen Papamobil! Franziskus hatte eine dezidiert grüne Agenda.

Wie geht es weiter? Inzwischen haben sich die Koordinaten der westlichen Politik gründlich gewandelt, in zahlreichen Ländern ist ein Rechtsruck zu verzeichnen, weshalb eine Umwelt- und Erdpolitik unter die Räder des autoritären Populismus zu fallen droht. Vor diesen tektonischen Verschiebungen in der politischen Landschaft hatte der Papst mit seiner Enzyklika einen Pflock für die katholische Kirche eingeschlagen. Papst Franziskus – the last man standing!

Zugleich hatte Franziskus erzkonservative Positionen zu Abtreibung, Homoehe, Frauenrechten. Er präsentierte sich als sozialökologischer Konservativer. Allerdings verkörperte er keinen gemäßigten Konservatismus wie etwa die christdemokratischen Parteien, dafür hatte er sich zu sehr für Gerechtigkeit und Erdpolitik eingesetzt. Und auch keinen autokratischen Konservatismus, wie ihn die rechtsextremen Parteien pflegen, dafür hatte er sich zu sehr für Migranten und Internationalismus eingesetzt. Darin war er einzigartig.

Nun droht der Richtungsstreit der gegenwärtigen Weltunordnung auf die katholische Kirche überzugreifen. Wie wird sich der neue Papst positionieren? Ohne eine sozial-ökologische Agenda wird die Kirche und damit auch die Welt in die Hände eines rechten Heilsbringers fallen.

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