Politik für die Zukunft: Warum ist Robert Habecks Politikstil gescheitert?

A ls Barack Obama Präsident wurde, war ich so begeistert vom Stil dieses Politikers, dass ich ein paar Tage ernsthaft dachte, nun würde die Welt atomwaffenfrei, die freiheitlich-emanzipatorische Kultur würde sich global durchsetzen und so weiter. Das lag vermutlich daran, dass ich eine Überdosis Post-68er-Kultur intus hatte, die von Geringschätzung der parlamentarischen Politik und demokratischen Mehrheiten geprägt war.

Und die Lösungen stets im Gegenmodell suchte, Politiker, die „anders“ sein sollten, dem reflexhaften Ruf nach der „Zivilgesellschaft“ und übernatürlichen Kräften, die alles schaffen, wenn die Guten sich zusammenfinden. Wie ein Sprecher im Schlamm von Woodstock sagte: „Wenn wir uns richtig anstrengen, dann können wir diesen Regen vielleicht stoppen!“ Dann riefen alle: „No rain, no rain.“ Yeah! Selbstverständlich goss es in Strömen weiter, aber das ignorierten wir.

Jedenfalls hat Barack Obama einen politischen Stil weiterentwickelt, der 1960 mit John F. Kennedy begann. Es war die Ablösung des militärisch-autoritären Stils durch einen, der die Bereitschaft zur politischen Öffentlichkeit und zur Mitsprache bezeugte, wie man nachlesen kann in Ole Meinefelds neuem Buch „Das Wagnis der Öffentlichkeit. Politische Stile bei Hannah Arendt“. Von Willy Brandt („Mehr Demokratie wagen“) bis Winfried Kretschmann („Politik des Gehörtwerdens“) folgte dieser Stil der Liberalisierung der westlichen Gesellschaften.

Obamas Stil aber war solitär, weil er auf eine einzigartige Weise politische Ernsthaftigkeit und popkulturelle Lässigkeit verband. Oba­ma war der ästhetische Höhepunkt der Geschichte, die wir als unsere verstanden haben. Aber er markierte auch ihr Ende.

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Kein Vertrauen in die Bürger

In Deutschland war es gleichzeitig so, dass weder Angela Merkel noch Olaf Scholz auch nur einen Funken Vertrauen in uns Bürger hatten. Ihr Stil beruhte darauf, möglichst nicht zu sprechen, weil – so die Einschätzung – man uns Wohlstandsbürgern Wahrheit nicht zumuten durfte, sonst würden wir sauer und sie sofort abwählen. Merkel gelang es, ihre Defizite (null Charisma, null rhetorische Begabung) in eine Marke und Stärke umzudeuten, Scholz nicht.

Und dann kam der Kanzlerkandidat Robert Habeck mit einem außergewöhnlichen Wagnis.

Ein selbstreflexiver, stets auf die Komplexität der Gegenwart hinweisender Stil, mit einem antidystopischen, antipolarisierenden und überparteilichen Zuversichtsansatz: Das war der Versuch, neue Allianzen für die Lösung neuer Probleme zu gewinnen. Obwohl Habeck gerade durch diesen Stil hohe persönliche Popularitätswerte hat, ist der Ansatz bei der Bundestagswahl gescheitert. Warum – und was folgt daraus?

Eine Möglichkeit wäre, dass Merkel und Scholz einen Punkt haben und es Habecks Problem war, dass er ansatzweise echte Zukunftspolitik machen wollte, die auch Kollateralschäden mit sich bringt. Für ernsthafte Politik auf der Höhe der Zeit und Bereitschaft, mit ihren Nachteilen umzugehen, gibt es in den liberalen Demokratien des Westens (noch) keine gesellschaftliche und politische Kultur.

Wo bleibt echte Zukunftspolitik?

Die Frage ist, welcher Politikstil dazu beitragen kann, die Bundesrepublik in eine neue Geschichte zu führen. Eine, die positiv über Nationalstaat, Sozialdemokratismus und Erweiterung individueller Rechte hinausweist. Eine, die Freiheits- und Sicherheitsgewinne schützt, aber neue Pflichten als Investition in eine gemeinsame Zukunft akzeptiert. Die den Einzelnen und die Gesellschaft nicht ideologisch überfrachtet, aber auch nicht moralisch unterfordert.

Merz, Klingbeil, Söder, Esken, Reichinnek, Dröge? Wenn man in dieser Hinsicht die kommenden Protagonisten in Regierung und Opposition scannt, dann landet man schnell wieder bei Robert Habeck.

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