„Projekt Halle“: Eine gesunde Arroganz

D ie Berliner Zeitung war eine der wenigen DDR-Tageszeitungen, die bis 1989 am Titelschriftzug in Fraktur festhielt. Sie schreibt sich auch heute noch so. Was passt. Schließlich redet auch ihr Verleger Holger Friedrich gern Fraktur. Damit eckt er immer wieder an, auch in dieser Kolumne. Wobei ihm mal unterstellt sei, dass er das auch ganz gerne tut.

Dass ihn vor allem die meisten „Westverlage“, wie Friedrich wohl sagen dürfte, ignorieren oder angreifen, monieren der ursprüngliche IT-Unternehmer und sein Verlag dabei stets mit wohlgesetztem Timbre. Was verrät, dass sie sich damit eigentlich ganz wohlfühlen. Denn es spricht für ihren Erfolg. Friedrich hat mit der Berliner Zeitung einen lang vermissten Ost-Stachel gegen das vom Westen regierte mediale Gesamtdeutschland gesetzt.

Jetzt soll 2026 von Berlin aus der Osten erobert werden, mit regionalen Angeboten in jeder größeren Stadt. Dass es sich dabei nolens volens um die ehemaligen DDR-Bezirksstädte handelt, hatte Springers Welt schon vor ein paar Monaten für ihre Verhältnisse sehr freundlich und ohne Schaum vor dem Mund aufgeschrieben. Und glatt vergessen, dass sie Friedrich doch eigentlich wegen seiner angeblichen und widerlegten bösen Stasi-Verstrickungen als ganz Schlimmen hinhängen wollten.

Das Vorhaben heißt „Projekt Halle“ und soll übergreifend den Namen Ostdeutsche Allgemeine tragen. Dabei startet die erste Ausgabe vermutlich in Dresden, wo der Verlag der OAZ Ende November gegründet wurde. Laut einem der letzten Projekt-Newsletter sei es nach vielen Gesprächen in der Region „nicht nur an der Zeit, ein Leitmedium aus Ostdeutschland zu starten, sondern aus Gründen der Fairness, des Gleichstellungsgebots und aus einem demokratischen Selbstverständnis so wichtig wie nie“.

Respekt in Form von Anwaltsschreiben

Diese gesunde Arroganz, sich mal eben als Leitmedium zu definieren, ist sonst ja eher im Westen verbreitet. Auch so ist die Kiste mutig und nötigt Respekt ab. Was Friedrich schon zu spüren bekommt. Zum Beispiel, wie er beim Medienforum Mittweida erzählte, in Form von Anwaltsschreiben. Die erreichen ihn aus Verlagen der Titel, die Ostdeutschlands Presse unter sich aufgeteilt haben.

Friedrichs verlegerische Mission lautet, die „Meinungskorridore“ zu erweitern. Und hier liegt der Haken. Der Begriff „Korridor“ spricht ja eher für Engführung und nicht für Breite. Zudem machen sich an den Rändern der bislang in der Berliner Zeitung zu besichtigenden Korridore fließende Übergänge in nach journalistischen Regeln nicht satisfaktionsfähige Bereiche breit. Wenn es um Geschwurbel geht, taugt das Lob des Aneckens nicht mehr als Rechtfertigung.

Von daher lässt sich das „Projekt Halle“ nicht ganz so vorbehaltlos beklatschen. Wichtig ist es auf jeden Fall. Und es verdient, differenziert betrachtet und nicht noch vor dem Start per Mahnschreiben eingehegt zu werden. Bloß dieser Scroll Ostdeutsche Allgemeine in Fraktur auf der Website geht gar nicht. Bitte nehmt ’ne Ost-Antiqua! „Die Schrifttype allein wird das Ungleichgewicht auch nicht auflösen“, sagt die Mitbewohnerin.

  • informationsspiegel

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