Protest gegen die AfD: Alternativlos

D ie AfD hat Oberwasser. Auf ihrem Parteitag in Riesa verabschiedete sie ein Wahlprogramm, in dem die als „Remigration“ getarnte Massendeportation rassifizierter Menschen in Deutschland als Ziel genannt wird. Ein Plan, der noch vor einem Jahr Millionen Menschen so sehr empörte, dass sie monatelang überall im Land zur kältesten und dunkelsten Jahreszeit auf die Straße gingen.

Und heute? Erschrecken wir uns noch, wenn die Nachrichten von einer erneuten Radikalisierung der AfD sprechen? Pflichtschuldig fast fällt der Jubel über 200 Busse und an die 15.000 Antifaschistinnen aus, die sich in Riesa bei Kälte und Polizeigewalt der AfD entgegenstellen. Und zugleich machen sich Zweifel breit: Was bringt es eigentlich wirklich? Haben 2 Stunden Verspätung des Parteitags irgendeine Auswirkung auf das, was am Ende wirklich zählt, nämlich das Wahlergebnis am 23.2.?

Alle Kräfte zu sammeln und wieder auf die Straße zu gehen, wieder und wieder und wieder, mit langem Atem gegen die Zerstörung der Demokratie anzukämpfen – das kann, muss und wird sich am Ende durchsetzen

Neueste Umfragen sehen die AfD bei über 20 Prozent der Stimmen. Schuld hat nicht die geschwächte Zivilgesellschaft, die Gründe liegen anderswo: Der Wahlaufruf des Techmilliardärs Elon Musk, für den sich die ebenfalls finanzstarke Springerpresse hergegeben hat, ein Verlag, der schon immer mit dem Riecher eines Investmentbankers in jedem Dreck wühlte, um am Ende zuverlässig auf der Seite des Gewinners zu stehen. Das massenhaft gestreamte Gespräch zwischen AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel und Elon Musk. Die bevorstehende FPÖ-Regierung in Österreich, das angesichts einer verantwortungslosen und geschichtsvergessenen ÖVP wie eine Blaupause für Deutschland wirkt. Der Trump-Sieg in den USA, der als Schock bei vielen noch immer nachwirkt.

Und die Gegenbewegung? Stumm. Die Zeiten, in denen wir selbstbewusst und sekundiert von Bands wie den Toten Hosen, den Ärzten oder Feine Sahne Fischfilet „Wir sind mehr“ durch die Straßen schrien sind verdammt lange her. Mittlerweile haben Pandemie und Haushaltsloch die Kultur ausgedünnt und Parteien, die sich früher „eher links“ verorteten, verschärfen das Asylrecht und lassen sich von einem Wettkampf der Unmenschlichkeit nach rechts treiben. Auch sie wollen am Ende nicht zu den Verlieren gehören – und biedern sich dem vermeintlichen Volkswillen nach Abschiebungen im großen Stil an, als wären es die Sorgen jener desinformierten Wutbürger, die man ernst nehmen müsse und nicht die derer, die massenhaft für den Erhalt der Demokratie aufgestanden waren.

Empört euch weiter, haltet die Stimmung aufrecht!

Die Quittung gab es nur wenige Monate nach den Demos. Bei der Europawahl wurde die AfD mit 16 Prozent zur zweitstärksten Kraft gewählt. Weitere Erfolge bei drei ostdeutschen Landtagswahlen folgten. Das saß erst mal.

Es ist heute schwerer denn je, sich wieder zu berappeln, den Optimismus wiederzufinden, zumal uns ja von überall her der komplette Niedergang Deutschlands plausibel gemacht wird. Und es ist schwer, sich nicht an das schleichende Gift der immer deutlicheren sprachlichen Entgleisung zu gewöhnen, nur weil gefühlt immer mehr Menschen auf immer mehr Kanälen immer entfesselter immer Menschenfeindlicheres äußern. „Alice für Deutschland“, der neue selbstbewusste Claim der AfD, nur wenige Buchstaben entfernt vom SA-Spruch, für den Björn Höcke im vergangenen Jahr noch verurteilt wurde.

Der beständige Tabubruch ist im ersten Moment wirkmächtig. Aber wir sollten auch die eigenen Stärken nicht unterschätzen. Sich das Momentum zurückzuholen, alle Kräfte zu sammeln und wieder auf die Straße zu gehen, wieder und wieder und wieder, mit langem Atem gegen die Zerstörung der Demokratie anzukämpfen – das kann, muss und wird sich am Ende durchsetzen.

Viele, die im vergangenen Jahr nach Veröffentlichung der Correctiv-Recherchen über das Potsdamer Treffen von Rechtsextremen auf die Straße gegangen sind, waren damals erstmals auf einer Demo. Viele berichteten überrascht und euphorisiert von einem Gefühl des Empowerments und von einem Zeichen des Zusammenhalts. Von der Erleichterung darüber, dass es endlich einen Aufstand der Anständigen gegeben hatte. Einen solchen Aufstand sehen wir auch jetzt wieder, in Österreich etwa, wo die Hoffnung, eine rechtsradikale Regierung zu verhindern noch viel kleiner ist, als hier. Auch wir hier in Deutschland sind noch lange nicht am Ende. Empört euch weiter, haltet die Stimmung aufrecht! Es gibt keine Alternative.

  • informationsspiegel

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