Protest gegen die AfD in Riesa: Mit gutem Gefühl nach Hause

Riesa taz | Als Tino Chrupalla, Co-Chef der AfD, den Bundesparteitag in Riesa eröffnet, wirkt er sauer. Es ist da mittlerweile nach 12 Uhr. Geplant war, um 10 Uhr zu beginnen. Stunden später als geplant, weil Proteste und Blockaden die Anreise für die insgesamt 600 Delegierten erschwerte – und noch sind immer noch nicht alle da. Obwohl die Polizei mit Hunden, Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Ak­ti­vis­t:in­nen vorging, gelang es, wichtige Zufahrtsstraßen in die sächsische Stadt zu blockieren.

Um etwa 6 Uhr kamen die ersten De­mons­tran­t:in­nen in Riesa an. Unter anderem am Bahnhof versammelten sich mehr als 1.000 Personen. Trotz der kalten Morgenstunden skandierten sie motiviert antifaschistische Parolen. Wie viele insgesamt am Samstag in die sächsische Stadt gekommen sind, lässt sich wegen der dynamischen Lage schwer schätzen. Laut Widersetzen fuhren mehr als 200 Busse aus der Republik nach Riesa, über den Tag verteilt seien mehr als 15.000 Menschen beteiligt gewesen. Die Polizei äußerte sich bislang noch nicht dazu.

Von unterschiedlichen Orten aus zogen sie als Demonstrationen in die Stadt. Das bundesweite Bündnis „Widersetzen“ hatte dazu aufgerufen, den AfD-Bundesparteitag mit zivilem Ungehorsam zu verhindern. Die AfD sei unsolidarisch und fördere Hass, und sei keine normale Partei. Mit Sitzblockaden sollten Ak­ti­vis­t:in­nen die Zugänge zur WT Energiesysteme-Arena, dem Veranstaltungsort des Parteitags, versperren.

Entsprechend zielten die Demonstrationen auf Zufahrtsstraßen von Kreuzungen und der Bundesstraße 169. Dort angekommen, ließen sich die De­mons­tran­t:in­nen nieder und hinderten Autos damit an der Durchfahrt.

Polizeipräsident entschuldigt sich

Die Polizei hatte vorab angekündigt, gleichermaßen die Versammlungsfreiheit des AfD-Parteitags und des Gegenprotests zu sichern. Die Legitimität von Protest stoße an Grenzen, wenn durch ihn verhindert werde, „dass andere ihre Grundrechte ausüben können“. Um die Blockaden zu unterbinden, setzten die Beamten Schlagstöcke und Pfefferspray gegen die De­mons­tran­t:in­nen ein. An manchen Orten nutzte sie auch Hunde, um Ak­ti­vis­t:in­nen von der Straße zu drängen. Der taz liegen mehrere Hinweise vor, dass Ak­ti­vis­t:in­nen mit Kopfverletzungen im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Im Laufe des Tages kam es zu keiner Festnahme. Bis zum Redaktionsschluss registrierte die zuständige Polizeidirektion Dresden 34 Straftaten bei den Protesten in Riesa. Laut Deutscher Presseagentur handelt es sich dabei unter anderem um Körperverletzung, tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Nötigung und Sachbeschädigung. Insgesamt seien sechs Po­li­zis­t:in­nen leicht verletzt worden. Um welche Verletzungen es sich genau handle, könne die Polizeidirektion aber nicht sagen.

Gegen Mittag verletzte ein Polizist den sächsischen Landtagsabgeordneten Nam Duy Nguyen (Linke). Er sei kurz bewusstlos geworden, berichtete Nguyen der taz. An den Protesten nahm er mit einem Team als sogenannter parlamentarischer Beobachter teil.

Die Polizei ermittelt in den eigenen Reihen

Als es zu dem Vorfall kam, habe der Abgeordnete am Rand gestanden, erzählte Nguyen der taz. Eine Gruppe hatte sich von der großen Kundgebung gelöst und sei von den Beamten gestoppt worden. Er habe die Polizei mehrfach auf seinen Status als beobachtender Landtagsabgeordneter hingewiesen, gebracht habe das nichts. Ein Mitglied seines Teams wurde ebenfalls geschlagen. Beide haben sichtbare Spuren im Gesicht davongetragen.

Die Polizei hat den Vorfall bestätigt. Sie ermittelt nun wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt, der Vorfall müsse geklärt werden, heißt aus der Polizeidirektion in Dresden. Der dortige Polizeipräsident, Lutz Rodig, äußerte in einem Statement: „Es tut uns sehr leid, dass ein Abgeordneter und sein Begleiter im Zuge des Polizeieinsatzes zu Schaden kamen.“ Das sei sicher nicht die Intention des polizeilichen Handelns gewesen, sagt Rodig. Den Fall aufzuklären, habe höchste Priorität.

Zudem lobte Rodig den Polizeieinsatz am Samstag: „Wir haben unsere Ziele erreicht: Der Parteitag findet statt. Damit sind wir unserer Verpflichtung, Parteiveranstaltungen unabhängig ihrer politischen Ausrichtung zu schützen, nachgekommen.“

Obwohl die Proteste den AfD-Bundesparteitag nicht verhindern konnten, lobte Widersetzen die Blockaden und Aktionen. Noch nie habe ein Parteitag so verzögert begonnen. Ebenfalls zufrieden zeigten sich auch die Aktivist:innen, mit denen die taz am Abend über die Proteste sprach. Eine Demonstrantin betonte, sie fahre mit einem guten Gefühl nach Hause, weil die Blockaden der AfD etwas entgegensetzen konnten. Ein anderer lobte die Mobilisierung. Trotz der Kälte und der beschwerlichen Anfahrt für viele sei ein großer Protest möglich gewesen. Er hoffe, dass sich die Strukturen festigen.

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