Laut LKA Sachsen wurden in der Nähe des Tatorts zunächst zwei Tatverdächtige festgenommen, die inzwischen aber wieder entlassen wurden. „Eine Rechtsgrundlage für die Festnahme lag nicht vor“, sagte Anja Leuschner, Sprecherin der Polizeidirektion Görlitz, der taz. Die Tatverdächtigen kämen aus dem „rechten Spektrum“, sie seien polizeibekannt. Ob sie einer bestimmten Gruppierung angehören, sei derzeit nicht bekannt. Nun ermittelt die Sonderkommission Rechtsextremismus des LKA Sachsen wegen schwerer Körperverletzung.
Die Gruppe war auf dem Weg zum Parteibüro der Linken in Görlitz, als sie angegriffen wurde, berichteten die Betroffenen dem MDR. Die mutmaßlichen Neonazis hätten sie erst mit Pyrotechnik und Flaschen beworfen, dann auch Tränengas eingesetzt. Die Täter hätten auf am Boden liegende Personen eingeschlagen.
Zu den Angegriffenen gehört die Kommunalpolitikerin Samara Schrenk. Sie ist Teil des Görlitzer Kreisvorstands der Linken, engagiert sich im Bündnis „Klare Kante gegen rechts!“ und organisiert Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Den Angriff beschrieb sie dem MDR so: „Ganz viele maskierte Männer standen uns auf einmal gegenüber. Man hat gemerkt, dass einfach gar keine Hemmschwelle mehr da ist.“
Die Betroffenen erlitten teils Platzwunden im Gesicht sowie Prellungen an Rippen und Ellenbogen. Es war nicht das erste Mal, dass die Kommunalpolitikerin rechte Gewalt erfuhr. Bereits im November habe eine Gruppe von Neonazis ihr auf einer Görlitzer Montagsdemo gedroht, man werde sie nicht verschonen, nur weil sie eine Frau sei.
Es fehlt der systematische Schutz vor rechter Gewalt
Nicht nur Politiker*innen der Linken seien regelmäßig Opfer von rechtsextremer Gewalt, sagte Lorenz Blumenthaler von der Amadeu Antonio Stiftung: „Solche Angriffe treffen die gesamte demokratische Zivilgesellschaft.“ Seit der Europawahl im Juni 2024 verzeichnet die Stiftung in der ganzen Bundesrepublik einen Anstieg rechter Gewalt. Die ostdeutschen Bundesländer seien zwar besonders betroffen, aber auch in Westdeutschland gebe es immer mehr Vorfälle.
In Schwerpunktgebieten rechter Gewalt, zu denen auch Görlitz zähle, brauche es nur sehr wenig, um zur Zielscheibe Rechtsextremer zu werden. Es reiche dazu ein klares Bekenntnis zur Demokratie, die Zugehörigkeit zu demokratischen Parteien, der Wille, Geflüchteten zu helfen, oder Engagement in zivilgesellschaftlichen Initiativen. Die Übergriffe reichten von Beschimpfungen, Verunglimpfungen, Anfeindungen bis hin zu Gewalt. Wie verbreitet solche Übergriffe sind, zeigt auch eine Umfrage von Sozialwissenschaftler*innen unter demokratisch engagierten Menschen: 79 Prozent der Befragten gaben an, schon gewaltbezogene Bedrohung erlebt zu haben. 8 Prozent von ihnen wurden mit dem Tod bedroht.
Für Kommunalpolitiker*innen oder Engagierte der Zivilgesellschaft fehle der systematische Schutz vor rechter Gewalt. Oft würden Straftaten nicht ausermittelt, die Täter kämen viel zu häufig mit mickrigen Strafen oder ganz ohne juristische Konsequenzen davon, kritisierte Blumenthaler.
Festnahmen und Strafverfolgung hätte es aber immerhin nach Angriffen mit Beteiligung der rechtsextremen Gruppe Elblandrevolte gegeben. Ein Mitglied war beispielsweise am Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke beteiligt, der im Mai in Dresden beim Plakatieren von vier Männern schwer verletzt wurde. Das wirksamste Mittel dagegen sei genau das, eine konsequente juristische Verfolgung rechter Gewalt, so Blumenthaler. Auch im Bundestagswahlkampf rechnet er mit weiteren Übergriffen auf demokratische Politiker*innen.