Torhüter des FC Barcelona: Hältste mal ne Kippe!

Barcelona taz | Beim FC Barcelona ist kürzlich Marc-André ter Stegen wieder ins Training eingestiegen. Nach seiner schweren Knieverletzung im Herbst galt der deutsche Nationaltorwart für diese Saison eigentlich schon als abgeschrieben, doch nun soll er ab Ende dieses Monats wieder auf höchstem Niveau einsatzfähig sein. Was seinem Trainer Hansi Flick ein ungeahntes Luxusproblem bescheren würde.

Während ter Stegens Abwesenheit ist nämlich so einiges passiert. Mittelstürmer Robert Lewandowski startete einen ersten Lockruf, dann legte Barça mit einem offiziellen Angebot nach – und schon war in Wojciech Szczęsny, 34, ein neuer Torwart verpflichtet. Das Besondere: Nach über 500 Matches für Arsenal, Roma und Juventus sowie 84 Länderspielen hatte der Pole seine Karriere schon beendet.

Barças Begehren erreichte ihn im Fußballerruhestand von Marbella. „Ich war gerade zu Hause am Kochen“, erzählte er später, gerechnet habe er wegen der unbekannten Nummer mit einem dieser Werbeanrufe. Szczęsny, 34, gab dann erst mal keine Antwort – „es schien mir irreal“.

Noch ungewöhnlicher ist, was seither passierte. „Tek“, wie Wojciech Szczęsny der Einfachheit halber genannt wird, entwickelte sich schnell zu einer Kultfigur, zumal er nach einem 4:0 bei Real Madrid rauchend in der Kabine fotografiert wurde.

Einer wie du und ich

Einer wie du und ich, das kommt an beim Anhang. Szczęsny strahlt Verschmitztheit und Lässigkeit aus, er scheint die Dinge nicht allzu ernst zu nehmen. Einer für die gute Laune im Team, der seine entlaufene Hündin über einen Aufruf in den sozialen Netzwerken suchte und sich das Privileg mit den Zigaretten in seiner Laufbahn redlich verdient hatte. Weiter würde es ja sowieso nicht ins Gewicht fallen, wirklich ernst nahm man ihn nicht, denn er sollte ja bloß den Back-up für ter Stegens Vertreter Iñaki Peña geben.

So war der Plan, so sah es ursprünglich auch Szczęsny. Er sei gekommen, um Barças jungem Team mit seiner Routine zu helfen; nicht, um Peña verdrängen: „Wenn mir jetzt einer sagt: ‚Tek, du wirst die ganze Saison auf der Bank sitzen, aber Iñaki helfen, und wir gewinnen Titel‘, würde ich das glücklich unterschreiben.“

Szczęsny schüttelt den Strandsand ab

Doch dann schüttelt er sich im Training mehr und mehr den Strandsand ab, während Barça vor dem Jahreswechsel in eine Krise rutschte. In der ersten Partie des Jahres 2025 stellte Flick ihn erstmals ins Tor. Anfangs lief es nicht gut, im dritten Einsatz sah Szczęsny beim 5:2 im Supercup-Finale gegen Real Madrid die Rote Karte.

Aber als die Sperre abgelaufen war, brachte ihn der Trainer wieder, und selbst nachdem er während eines 5:4 bei Benfica Lissabon vor einem Gegen­tor slapstickhaft mit seinem eigenen Verteidiger Alejandro Balde kollidierte, hielt Flick zum allgemeinen Erstaunen an Szczęsny fest. „Mit ihm haben wir noch nicht verloren“, so die Begründung, die zu jenem Zeitpunkt noch etwas nach plumpem Kabinenaberglauben klang.

Kompletter Torwart

Inzwischen muss sich Flick längst nicht mehr rechtfertigen. In mittlerweile 20 Spielen mit Szczęsny ist Barça ungeschlagen, eroberte in der Liga die vor Weihnachten verlorene Tabellenführung von Real zurück (vier Punkte Vorsprung), erreichte in engen Matches gegen Atlético das Pokalfinale, gilt als einer der Topfavoriten auf den Champions-League-Sieg mit seinem wunderbaren Spielmacher Pedri, dem hochproduktiven Sturmtrio aus Lewandowski, dem besten Europapokalschützen Raphinha (11 Treffer) und dem magischen 17-Jährigen Lamine Yamal, der hohen Abwehrlinie von Flick – und einem Szczęsny, der alle Gegner „wegraucht“, wie die Presse gern witzelt.

Der Pole zeigt sich als der komplette Torwart, der er früher war. „Formidabel“ und „fantastisch“ nennt ihn Flick, derweil Raphinha gestand, ihn schon längst bei Fantasy Football im Team zu haben, und die Fans in ihren Gesängen den „Szczęsny fumador“ huldigen: „Raucher Szczęsny“.

Auch Kapitän ter Stegen ist begeistert vom neuen Kollegen. „Er zeigt starke Leistungen, hat Ausstrahlung und Erfahrung, hilft mit seiner Persönlichkeit den Jungs auch im Alltag“, so der Deutsche: „Wir verstehen uns sehr gut.“ Das soll bei Torleuten ja nicht selbstverständlich sein. Bei einem Weiterkommen gegen Dortmund bestünde die Crux darin, dass ter Stegen nur dann für die Champions League wieder eingeschrieben werden könnte, wenn sein Ersatz Szczęsny aus dem Aufgebot gestrichen würde. Doch der Pole, sagt er, würde auch das verstehen: „Ich kam hierher, um Marc zu vertreten, und hätte nicht das geringste Problem damit, wenn er einfach wieder seinen Posten einnimmt.“ Klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Wie seine ganze Geschichte.

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