Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit: „Deutschland ist auf Partnerschaften angewiesen“

Taz: Frau Hornidge, die USA wickeln die Entwicklungszusammenarbeit und die zuständige Behörde USAID ab. Lässt der reiche Westen den armen Süden allein?

Anna-Katharina Hornidge: Was die USA machen, ist katastrophal. Die Abwicklung von USAID trifft besonders die Gesundheitssysteme in Subsahara-Afrika, die bis zu 90 Prozent durch USAID finanziert sind. Es trifft auch zahlreiche Flüchtlingslager in der Region.

Koalitionsvertrag 2025

Am 9. April 2025 hat Schwarz-Rot die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. Den Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU für die 21. Legislaturperiode finden Sie

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Taz: Die USA waren bislang der mit Abstand größte Geber von Entwicklungszusammenarbeit weltweit. Kann das überhaupt kompensiert werden?

Hornidge: Deutschland allein kann das nicht kompensieren. Aber es wäre jetzt wichtig, bei uns Konsens zu erreichen, dass, nur weil andere sich zurückziehen, Deutschland das nicht auch tun sollte. Wir sind eine Zivilmacht, eine liberale Demokratie im Herzen Europas, eine Wirtschaftsmacht und vor allen Dingen auch eine Exportmacht. Deutschland braucht vertrauensvolle und verlässliche Partnerschaften. Und diese Partnerschaften sind nur glaubwürdig, wenn Allianzen nicht nur auf Eigeninteressen basieren, sondern immer auch die Interessen der Partner und damit auch das Solidaritätsprinzip gleichermaßen eine Rolle spielen.



Bild: IDOS


Im Interview: Anna-Katharina Hornidge

ist Professorin für Globale Nachhaltige Entwicklung an der Universität Bonn und leitet seit 2020 das dort ansässige German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

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Taz: Kann Deutschland die Abkehr der USA in der Entwicklungszusammenarbeit für neue Partnerschaften nutzen?

Hornidge: Deutschland sollte in Absprache mit europäischen Partnern versuchen, die Lücke zu füllen, und in bestimmten Bereichen mehr Geld zur Verfügung stellen.

Taz: Zum Beispiel?

Hornidge: Zum einen im gemeinsamen Kampf gegen globale Herausforderungen wie Klima- und Biodiversitätskrise, in der Prävention von weiteren Gesundheitskrisen und im Auffangen von Schuldenkrisen. Dies bedeutet auch, dass der gemeinsame Umbau von Energie-, Transport- und Ernährungssystemen strukturell vorangetrieben und finanziert werden sollte. Und zum anderen dort, wo die Not der Menschen besonders drängt. Dies umfasst die Nothilfe, wie zum Beispiel aktuell zur Unterstützung der Menschen in Myanmar, wie auch Flüchtlingslager beispielsweise in Subsahara-Afrika. Es ist wichtig, zum einen die mittel- und langfristige Stabilisierung und nachhaltige Ausgestaltung unserer Systeme sicherzustellen und zum anderen kurzfristig unterstützen zu können. Die aktuellen geopolitischen Verschiebungen machen dies noch wichtiger. Denn, wer füllt denn sonst die Lücke?

Taz: Ja, wer?

Hornidge: In Subsahara-Afrika sind das unter anderem Russland und China.

Taz: Aber auch bei uns tobt die Debatte, ob es wirklich so sinnvoll ist, Schulen im Sahel oder Radwege in Peru zu finanzieren, wo doch das Geld in Deutschland fehlt?

Hornidge: Für Europa wäre es im eigenen Interesse unheimlich wichtig – Stichwort Sicherheitspolitik, Migrationspolitik, Handels- und Außenwirtschaftspolitik – wenn es gute Beziehungen zu seinen Nachbarregionen pflegt und wenn wir diese beim Aufbau von Bildungs- und Gesundheitssystemen unterstützen. Wir sehen momentan am Beispiel der Ukraine, wie wichtig starke und stabile Nachbarschaften sind, die uns zugewandt sind.

Taz: Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag öffentliche Mittel für Entwicklungsleistungen (ODA) kürzen, die Rede ist von einem „angemessenen Absenken der ODA-Quote“.

Hornidge: Das kann sich auch auf die Berechnung beziehen. Jetzt kommt nur die Hälfte der sogenannten ODA-Mittel im BMZ für Entwicklungszusammenarbeit an, die andere Hälfte wird angerechnet für Flüchtlingskosten und für ausländische Studierende in den Bundesländern. Absenken bedeutet also noch nicht unbedingt, die Mittel für die Kooperation mit Partnerländern zu kürzen. Für die internationale Zusammenarbeit und Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands ist wiederum gerade vor dem Hintergrund der globalen und geopolitischen Herausforderungen eine angemessene finanzielle Ausstattung nötig. Eine Finanzierung von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist das Minimum.

Taz: Außerdem will Schwarz-Rot die Entwicklungszusammenarbeit stärker an Bedingungen knüpfen. Ist das nicht das Gegenteil von Augenhöhe?

Hornidge: Friedrich Merz hatte ja vor der Bundestagswahl seine Vorstellungen in Bezug auf Entwicklungszusammenarbeit skizziert. Ich konnte dem eine stark wirtschaftsorientierte Perspektive, gestützt von vermehrt transaktionalen Ansätzen, entnehmen. Im Koalitionsvertrag findet sich nun ein längerer Abschnitt zur Kopplung von Entwicklungszusammenarbeit mit der Kooperationsbereitschaft von Partnerländern im Bereich irreguläre Migration. Dabei wissen wir, dass Partnerschaften, die auch in Krisen tragfähig sind, nicht rein transaktional gestaltet sind. Auch muss sich Deutschland fragen, ob es seine Kooperation mit für die deutsche Wirtschaft wichtigen Partnerländern wirklich einstellt, wenn in der Bekämpfung von irregulärer Migration die erhofften Fortschritte auf sich warten lassen.

Taz: Sehen Sie die Gefahr, dass die Entwicklungspolitik künftig dem Prinzip Deutschland first folgt?

Hornidge: Ich sehe diese Gefahr in den momentan laufenden Diskussionen, ja. Gleichzeitig bin ich auch zuversichtlich, dass im Endeffekt das Wissen, dass Deutschland Allianzen und Partner benötigt, überwiegt.

taz: Eine weitere Möglichkeit, Geld einzusparen, wäre die Auflösung des Entwicklungsministeriums und die Eingliederung ins Auswärtige Amt gewesen, wie von der Union gefordert. Nun bleibt es ein eigenständiges Ministerium. Ist das gut?

Hornidge: Ja, das ist sehr gut. Besonders in der momentanen Weltlage braucht Deutschland ein zentrales Kooperationsministerium, dass sich für die partnerschaftliche Sicherstellung einer nachhaltigen Zukunft einsetzt.

taz: Was hätte gegen eine Zusammenlegung mit dem Auswärtigen Amt gesprochen?

Hornidge: Solche Zusammenlegungen gab es bereits in anderen Ländern. Wir haben uns das in Großbritannien, Kanada, Australien genauer angesehen. Gerade Großbritanniens globale Meinungsführerschaft hat sehr gelitten. Erst ging substantielle Expertise verloren, Fachkräfte haben den Bereich verlassen. Sukzessive hat aber auch das vermehrte Arbeiten mit profitorientierten Beratungsunternehmen statt der vorher staatlich finanzierten und organisierten Entwicklungszusammenarbeit das Vertrauen der Partner in Großbritannien sehr geschwächt.

taz: Plädieren Sie für eine Stärkung des Entwicklungsministeriums?

Hornidge: Ich plädiere für den entschiedenen Ausbau, für Kohärenz und strategische Aufstellung der deutschen Kooperationspolitik für nachhaltige Entwicklung. Dies umfasst die Entwicklungs-, Außen- und internationale Umweltpolitik, Außenwirtschafts- und Handelspolitik. Deutschland liegt in einer Weltregion von vielen kleinen Ländern und tut gut daran zu akzeptieren, dass es im internationalen Vergleich auch eines der kleinen Länder ist. Für seinen Reichtum ist es auf Allianzen mit Ländern aller Einkommensgruppen und auf allen Kontinenten angewiesen. Insofern gilt ganz klar: die Außenstrukturen Deutschlands und Europas stärken.

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