D ass von CDU-Regierungsmitgliedern plötzlich so etwas wie kritische Worte zu Israels Vorgehen im Gazastreifen zu vernehmen ist, lässt schon verwundern. Nur wenige Monate ist es her, da war Friedrich Merz stets an erster Stelle dabei, wenn es darum ging, die Ampelregierung nach jeder kleinsten Abweichung von einer bedingungslosen Unterstützung der Regierung Benjamin Netanjahus unter Druck zu setzen.
Als Oppositionsführer nannte er Olaf Scholz’ Aussage, man werde sich im Falle eines Haftbefehls gegen Netanjahu „an Recht und Gesetz“ halten, noch einen „Skandal“. Und als er davon Wind bekam, dass die Ampel aufgrund rechtlicher Bedenken zeitweise Waffenexporte an Israel blockiert hatte, stellte er den SPD-Kanzler im Bundestag an den Pranger.
Kaum sitzt Merz im Kanzleramt, hört man aus Regierungskreisen, dass es einen Netanjahu-Besuch in Deutschland nicht geben werde. Und auch Bundesaußenminister Johann Wadephul erwägt auf einmal sogar eine Überprüfung der deutschen Waffenexporte nach Israel. Besinnt sich Merz auf dem Kanzlersessel sitzend auf seine christlichen Werte zurück? Ist ihm auf einmal klar geworden, dass das fortlaufende Massakrieren und Aushungern der palästinensischen Zivilbevölkerung nicht zu rechtfertigen ist?
Bekanntlich kann man ja Politikern nicht in den Kopf schauen – doch ein moralisches Erwachen dürfte kaum der Grund für den Merz’schen Wandel sein. Dass Israel im Gazastreifen Kriegsverbrechen begeht, die in ihrer Summe laut führenden Expert*innen einen Völkermord darstellen, ist lange bekannt. Was sich allerdings verändert hat, sind die Risiken, die mit seiner neuen Kanzlerrolle einhergehen.
Der Israel-Palästina-Konflikt wird vor allem in linken Kreisen kontrovers diskutiert. Auch in der taz existieren dazu teils grundverschiedene Positionen. In diesem Schwerpunkt finden Sie alle Kommentare und Debattenbeiträge zum Thema „Nahost“.
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Keine deutschen Waffen mehr
Entscheidet der Internationale Gerichtshof, dass Israel einen Genozid begeht, könnten Merz und Wadephul für Beihilfe zum Völkermord verantwortlich gemacht werden. Auch dürften seine Berater dem Kanzler klargemacht haben, dass ein Besuch Netanjahus ohne Rechtsbruch und politischen Aufruhr kaum möglich sein wird. Merz steckt also im gleichen Dilemma wie schon sein Vorgänger.
Und was dabei herauskommt, ist dieselbe interessengeleitete Wischiwaschi-Israelpolitik wie die der Ampel: persönliche Risiken minimieren; nach außen die enge Freundschaft mit Israel betonen; nur genau so viel Mahnen wie nötig, aber so wenig wie möglich, um die wirtschaftliche, militärische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Israel und den USA nicht zu torpedieren. Weder das Leben der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, noch das der Geiseln stehen dabei im Mittelpunkt.
Eine deutsche Israelpolitik, die tatsächlich darauf abzielt, der genozidalen Kriegsführung Netanjahus ein Ende zu setzen, sähe anders aus: ein vollständiges Waffenembargo; Einsatz für ein Ende des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel und Sanktionen gegen die israelische Regierung – so lange, bis sicher festgestellt werden kann, dass sich Israel im Gazastreifen wie auch im Westjordanland an internationales Recht hält.








